Pflegedienst lässt Kunden im Regen stehen

Aus Mangel an Personal kappte der Dienst „Carpe Diem“ mehreren Patienten die Versorgung.

Pflegedienst lässt Kunden im Regen stehen
Foto: Stephan Köhlen

Hilden/Haan. Es war am Freitagnachmittag, als Nils Graßmann in einer Haaner Facebookgruppe mitteilte, dass der Pflegedienst Carpe Diem in Haan ihm kurzfristig die ambulante Pflege seiner Mutter gekündigt hätte. Ob jemand einen Tipp habe, wo es noch freie Kapazitäten gäbe, wollte der Haaner wissen. Prompt meldeten sich weitere Betroffene und fragten: Was ist da los?

Ein Anruf bei anderen ambulanten Pflegediensten bestätigte die Facebookschreiber: „Bei uns haben sich heute schon mehrere Carpe Diem Kunden gemeldet“. Am Wochenende ging die Diskussion auf Facebook weiter. Bemerkenswert war der Schlagabtausch zwischen Graßmann und einer Frau, die sich als langjährige Mitarbeiterin von Carpe Diem outete und versuchte, eine Lanze zu brechen für den Pflegedienst. „Der ambulante Dienst vom Carpe Diem Haan lässt keinen einfach im Stich.“ Und weiter: Man habe ihn tagelang nicht erreichen können, „ohne geschultes Personal kann man leider keine vier Pflegetouren aufrecht erhalten. Ihre Mutter ist ja nun nicht ohne Pflege, Sie haben eine gute 24-Stunden-Pflege im Haus.“

In dem gleichen Chat ist auch nachlesbar, dass Graßmanns Mutter „seit zwei Jahren zweimal täglich“ betreut wird. Insofern könne er ja nicht so unzufrieden mit dem Pflegedienst sein. Graßmann nennt das „einen krassen Fall von Verletzung der Datenschutzbestimmungen, dass die Frau diese Infos öffentlich gemacht hat. Jetzt können sie es auch ruhig schreiben, nachdem es schon auf Facebook stand.“

Bei Carpe Diem selbst war erst am Montag wieder jemand zu erreichen, der sich zu dem Thema äußern durfte. Martin Niggehoff, Geschäftsführer in der Verwaltung in Wermelskirchen räumte ein, dass in Haan mehrere Mitarbeiter abgewandert seien und deswegen „die ambulante Versorgung neu strukturiert werden muss.“

Zwei bis drei Mitarbeiter hätten gekündigt. Deswegen habe man einigen Kunden, deren Angehörige auf die pflegerische Leistung examinierter Kräfte angewiesen seien, kündigen müssen. „Die Politik unterstützt uns nicht“, klagt er. „Wir haben viele Azubis, wir wollen ausländische Pfleger beschäftigen, aber es dauert manchmal ein Jahr, bis die ihre Zulassung erhalten.“

Die Haaner Einrichtungsleiterin Beate von Tintelen erregt sich über den Facebook-Eintrag: „Wir haben nicht allen gekündigt!“ Erst nach mehrmaligem Nachfragen wird sie genauer: „Maximal zehn“.

Es gehe nur um Kunden, bei denen pflegerische Leistungen — etwa Spritzen geben, Medikamente verabreichen — erbracht werden müssen. Dafür werden examinierte Kräfte gebraucht. „Wir wollen die Qualität hochhalten. Deswegen müssen wir uns einschränken. Betreuungsleistungen und hauswirtschaftliche Hilfen sind nach wie vor gewährleistet.“

Man habe versucht, die Vakanzen mit Zeitarbeitskräften zu schließen, räumt von Tintelen ein. Ohne Erfolg. Schließlich wurde die Notbremse gezogen und Kündigungen ausgesprochen. „Nächste Woche wollen wir die Angehörigen informieren.“ Die Indiskretion auf Facebook bedauert sie: „Wir haben mit der Mitarbeiterin geredet.“

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