Hilden „Die Bilder wandeln sich oft“

Hilden. · Die Leiterin des Wilhelm-Fabry-Museums, Sandra Abend, hat sich mit „Feindbildern“ beschäftigt.

Sandra Abend, Leiterin des Wilhelm-Fabry-Museums, und Professor Hans Körner (Institut für Kunstgeschichte der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) haben mit Unterstützung des Kulturamtes Hilden und des Gewerbeparks Süd eine Tagung zum Thema „Feindbilder“ mit prominenten Teilnehmern in Hilden organisiert. Wir haben mit Sandra Abend darüber gesprochen.

Seit wann gibt es
eigentlich Feindbilder?

Sandra Abend: Feindbilder waren sicherlich zu allen Zeiten ein Thema. In der Kunst gibt es schon im alten Ägypten und Rom klassische Feindbilder, in denen ganz einfach der aktuelle Feind abgebildet wurde, oft in besiegter Haltung. Seither hat sich das Feindbild stetig gewandelt. Hat man früher, wie beispielsweise Hieronymus Bosch, das personifizierte Böse plakativ dargestellt, sind Feindbilder heute deutlich komplexer.

Was macht ein ­Feindbild aus? Wie wird es ­visualisiert?

Abend: Abgesehen von der Abbildung des Feindes wandeln sich oft Bilder und Denkmäler von Herrschern zu Feindbildern. Stellvertretend für die Person werden diese auf vielfältige Weise attackiert und buchstäblich vom Sockel gestoßen. Dabei wird leider zu häufig die komplexe Geschichte dahinter nicht berücksichtigt oder aus dem Zusammenhang gerissen. Wenn man also, wie gerade in den USA, ein Denkmal von Kolumbus zerstört, weil man ihn zum Symbol für Kolonialismus macht, dann ist das sicher zu kurz gedacht.

Hat sich da in den ­vergangenen Jahrhunderten ­Entscheidendes verändert?

Abend: Es ist ein ständiger Veränderungsprozess. Wer gestern ein Held war, kann heute zum Feindbild werden. Auch moralische und gesellschaftliche Veränderungen spielen eine große Rolle. So gibt es aktuell Forderungen, Gemälde aus Museen zu entfernen, weil man sie für rassistisch oder sexistisch hält. Das trifft oft auch große Meisterwerke. Bettina Flitners Kunstaktion „Mein Feind“ unterstellte man seinerzeit, sie sei gewaltverherrlichend. Man hat die Arbeit damals einfach nicht verstanden. Nimmt man die aktuell entstandenen Malereien von Sandra del Pilar, dann setzen sich die Bildthemen aus vielen aktuellen Elementen zusammen. So etwa in der großformatigen Arbeit „Der Sturm“. Allein der Bildtitel lässt Assoziationen mit dem „Bildersturm“, also der Zerschlagung von Kunstwerken, zu. Das Werk zeigt aufgebrachte Menschen, die auf ein riesiges Bild einschlagen. Auf der Leinwand im Bild ist ein schreiendes Frauengesicht zu sehen. Anlass für diese Arbeit war die Auseinandersetzung über ein kleines Gemälde des zeitaktuellen Künstlers Fabián Cháirez. Auf diesem glaubte der Enkel Emiliano Zapata, die Geschichtszüge seines Großvaters zu erkennen. Verkürzt dargestellt, zeigt es einen nackten Reiter in einer erotisierenden Haltung in Anlehnung an ein Pin-up. Anhänger des zum historischen Idol verklärten Zapata empfanden es als Skandal und wollten es zerstören. Fans des Künstlers kämpften im Wortsinne für das kleine, zuvor völlig unbekannte Werk.

Sie haben sich speziell mit Muammar al-Gaddafi beschäftigt. Wie sind sie ­ausgerechnet auf
ihn ­gekommen?

Abend: Ich habe an der Kunstakademie Düsseldorf ein Seminar zum Thema „Ikonoklasmus – Kunst- und Kulturzerstörung vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart“ gegeben. In diesem Zusammenhang habe ich auch über Muammar al-Gaddafi gesprochen und bin auf bemerkenswerte Fotografien unter anderem von Abbas, Saman und Brown gestoßen. Es ist faszinierend, wie sich die Person Gaddafi und seine Bilder gewandelt haben. Zum guten Schluss hat man zunächst sein Abbild symbolisch exekutiert und danach den Diktator brutal hingerichtet.

Sie sprechen vom „Zerrbild“ eines Diktators. Was meinen Sie damit?

Abend: Das Bild von Gaddafi ist von einer großen Ambivalenz geprägt. Vom einfachen Beduinen, der zum Heiligen stilisiert wurde, bis hin zum schrulligen, exaltierten Oberst, der über allem schwebt und zur Karikatur wird. Aus dem attraktiven Revolutionär wurde ein Zerrbild seiner selbst, der nicht vor einer Schönheitsoperation zurückschreckte.

Ich habe den Eindruck, die sozialen Medien fördern die Entstehung von ­Feindbildern. Wie sehen Sie das?

Abend: Absolut richtig. Digital verbreiten sich Nachrichten und Bilder so schnell, dass viele Menschen sie nicht mehr hinterfragen und Fakes glauben, oft auch, weil sie sie glauben wollen. Sie passen in ihr persönliches Feindbild. Außerdem ist die Schwelle, in sozialen Medien aggressiv anzugreifen, sehr niedrig. Bildung und Medienkompetenz sind die Schlüsselbegriffe, um den Feindbildern entgegen­zuwirken.

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