Immer an der Düssel entlang

Entsprungen im Örtchen Düssel, dem sie ihren Namen gab, schlängelt sie sich 40 Kilometer bis nach Düsseldorf.

Immer an der Düssel entlang
Foto: Mikko Schümmelfeder

Haan. Sie fließt hier durch den Garten. Macht man das Fenster auf, hört man sie plätschern. Das tut sie meistens, manchmal jedoch wird ihr zarter Klang zum Rauschen. Dann waren die Zeiten draußen unruhig. Sind sie es auch drinnen, ist sie dennoch immer da. Ihr stetiges Dahinrinnen hat etwas Beruhigendes. Man kann Rosenblätter hineinwerfen oder irgendetwas, das sie mit sich nimmt und man weiß es in diesem Augenblick: Er wird so nicht mehr wiederkommen, alles fließt. Momente wie diese erlebt man an jedem Fluss, aber hier ist es die liebgewonnene Düssel.

Von ihrer Quelle in Wülfrath bis zur Mündung in den Rhein mäandert sie durchs Neandertal. Anfangs inmitten von steinernem Pomp und Getöse: Aus einem Felsbrocken auf einem Plateau und von Aufmerksamkeit heischenden Hinweisschildern umgeben. Es scheint beinahe so, als hätte man sie der Heimlichkeit entreißen wollen. Und wer ihre Geschichte kennt, der weiß: Das ist schon ein bisschen geschummelt. Aber dazu später.

Im urbanen Düsseldorf angekommen, wurde ihr letztes Aufbegehren in die Unterwelt verbannt. Wo der große Bruder Rhein sie aufnimmt, bleibt das Publikum ausgeschlossen. Der Großstadt scheint sie zuweilen lästig zu sein, meist zwängt man sie über lange Strecken hinweg in unterirdische Kanäle.

Man könnte über die Düssel erzählen, das sie wunderbar klares Wasser mit sich führt und das sie von Stadtplanern für das schnelle Ableiten von Hochwasser missbraucht wurde. Aber ist es wirklich das, was uns mit einem Fluss verbindet? Sind es nicht vielmehr die Geschichten, die mit ihm zusammen geschrieben werden? Wir könnten beim Düsselflaneur Sebastian Brück vorbeischauen, der seit vier Jahren an ihrem Ufer entlang wandert und seine Erlebnisse in einem Blog festhält. Oder wir könnten uns mit Michael Brockerhoff unterhalten, den es als Autor eines Wanderführers an die Düssel zog und der über die sagt: „Antrieb für das Erforschen ist sicherlich auch ein Heimatgefühl mit dem Wunsch, den Fluss besser kennenzulernen, der Düsseldorf seinen Namen gegeben hat.“ Wir könnten also etwas über sie lesen und hören, was andere über sie sagen. Besonders hingegen wäre es, wenn wir sie selbst aufsuchen würden: Zu einem Stelldichein an ihren mannigfaltigen Ufern, die sie vertrauensvoll für uns öffnet, so wie im Düsseler Wald oder im Neandertal. Und dann gibt es noch verwunschene Ecken zwischen Gerresheim und Erkrath, in denen sie gerne inkognito bleibt. Es gibt Leute, die schon Koffer auf ihr schwimmen sahen. Und es gab solche, die sie zum Ort der Kunst gemacht haben. Hinter der Steinzeitwerkstadt im Neandertal, unweit der Brücke, liegt eine Skulptur im Flussbett. Von Algen bedeckt und kaum noch zu erkennen: Auch solche Verhüllungen gehören zum Wesen des stetig fließenden Wassers.

Eigentlich an der Wülfrather Stadtgrenze zu Neviges in einer Wiesenmulde entsprungen, fließt das Wasser in mehreren Rinnsalen den Hang hinab, um sich bei Gut Blomrath zu einem Bächlein zu vereinen. Die Düsseldorfer Jonges waren es, die in den 1930er Jahren nachhalfen und mit einem Stein die Quelle markierten. Während sie von dort aus über mehr als 40 Kilometer hinweg dahinfließt, gesellen sich allerorten kleinere Wasserläufe und Bäche hinzu. Durch Schöller hindurch schlängelt sie sich bis ins Neandertal hinein - vorbei an 23 Mühlen, deren Mühlräder sie einst leichtfüßig in Schwung brachte.

In Düsseldorf angelangt, wird es für die Düssel eng in ihrem Bett. In Kanalrohre gezwängt, gleitet sie ihrer Trennung entgegen. Am Spaltwerk Höherhof angelangt, wird von Menschenhand entschieden, in welchen ihrer beiden Flussarme ihre Wassermassen fließen sollen.

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