Haan „Corona-Tote kaum berühren“

Haan. · Die Corona-Krise hat auch die Arbeit von Bestattern verändert. Fabian Piepenstock arbeitet im Beerdigungsinstitut Feldhaus in Haan. Der 27-jährige Bestattungsmeister berichtet, wie sich die Pandemie auf seinen Job auswirkt.

 Bestatter Fabian Piepenstock aus Haan hat bisher noch keinen Corona-Toten bestatten müssen.

Bestatter Fabian Piepenstock aus Haan hat bisher noch keinen Corona-Toten bestatten müssen.

Foto: "Köhlen, Stephan (teph)"/Köhlen, Stephan (teph)

Wenn ich die Bilder von Massenbestattungen und gestapelten Särgen aus Italien oder den USA sehe, bin ich froh, dass ich nicht dort Bestatter bin. Auf solch eine Situation ist kein Bestatter der Welt vorbereitet. Wenn es in Deutschland so käme, würde unsere Branche aus allen Angeln gehoben.

Doch auch in Deutschland hat die Corona-Krise unseren Job verändert. Die Arbeit mit Angehörigen ist grundlegend anders: Zu Beratungsgesprächen laden wir normalerweise möglichst viele Familienmitglieder des Verstorbenen ein, seit Beginn der Pandemie sind nur noch zwei erlaubt. Wir sitzen dann jeweils an einem Tischende. Vieles wird auch schon vorab online organisiert, damit die Beratungszeit kürzer ist.

Bislang haben wir keinen Corona-Toten bestattet, hatten aber schon zwei Verdachtsfälle. In diesen Fällen haben wir die Bestattung solange wie möglich hinausgezögert, um die Testergebnisse abzuwarten. Mit den negativen Befunden konnten wir den Angehörigen eine möglichst normale Verabschiedung und Beerdigung ermöglichen.

Das Bestattungsgesetz in Nordrhein-Westfalen sieht vor, dass ein Verstorbener innerhalb von zehn Tagen im Sarg beigesetzt wird oder eine Einäscherung stattfindet. Wegen der Corona-Krise wurden diese Fristen verlängert: Eine Sarg-Beisetzung kann aus biologischen Gründen nur um einzelne Tage verlängert werden. Da mit der Asche hingegen nichts mehr passieren kann, müssen Urnen normalerweise erst innerhalb von sechs Wochen nach der Einäscherung bestattet werden. Haan und viele andere Städten haben diese Frist sogar auf zwölf Wochen verdoppelt. Viele Angehörige haben diese Gelegenheit genutzt, um eine Lockerung der Personenbeschränkung bei Beerdigungen abzuwarten. Familien mit vielen Verwandten im Ausland reizen die Fristen besonders aus – in der Hoffnung, dass es in den nächsten Wochen Lockerungen bei den Reisebestimmungen gibt, sodass mehr Menschen bei der Bestattung dabei sein können. Die Bestattung ist ein wichtiger Meilenstein im Trauerprozess. Welche Gefahr durch den Kontakt mit Corona-Infizierten für uns besteht, wissen wir nicht. Dazu gibt es noch keine verlässlichen Studien, die Zeit wird es zeigen. Es muss sich aber niemand Sorgen machen, denn der Bundesverband informiert uns täglich über die neuesten Gesetzesänderungen, medizinischen Erkenntnisse und Vorschriften.

Tote dürfen nicht gewaschen
und angekleidet werden

Für die Arbeit an Toten gelten generell strenge Vorschriften: Handschuhe und Kittel tragen wir schon immer. Hinzu kommt dann der Mundschutz. Corona-Tote sind allerdings eine Risikogruppe, für die spezielle Regeln gelten. Eine nachgewiesene Corona-Infektion vermerkt der Arzt im Totenschein. Gemäß dem Infektionsschutzgesetz sollen die Kontaktzeiten mit bestätigten Corona-Toten minimiert werden. Wir dürfen sie nicht waschen und kleiden sie nicht in ihrer persönlichen Kleidung. Stattdessen müssen wir sie in mit Desinfektionsmittel getränkte Tücher einbetten. Bei Corona-Toten vernähen wir auch keine Wunden, wie es sonst zum Beispiel bei Unfalltoten oder bei kleinen Wunden durch medizinische Geräte gemacht wird.

Wir haben immer einen gewissen Fundus an Desinfektionsmittel, Mundschutz, Handschuhen, Kitteln und luftdichten Hüllen. Noch haben wir genügend Vorrat, allerdings ist unsere turnusmäßige Bestellung von vor sechs Wochen immer noch nicht angekommen. Die Preise dieser Produkte haben sich in der Corona-Krise um das Zehn- bis 20-fache erhöht.

Damit geht es uns wie jedem anderen auch: Wir kommen nicht dran, haben lange Lieferzeiten und erhalten täglich völlig überteuerte Angebote. Wenn wir plötzlich mehrere Corona-Tote hätten, würde das Material nicht reichen. Wir hoffen daher, dass in den nächsten Wochen Nachschub kommt. Kommt die Lieferung nicht, müssten wir tatsächlich überteuerte Produkte kaufen und hoffen, dass wir diese bekommen. In der Corona-Krise unterstützen sich viele Bestattungsunternehmen daher gegenseitig und tun sich bei hohen Mindestabnahmemengen für Bestellungen zusammen.

Beisetzungen erfolgen derzeit technischer als gewohnt

Auch eine Bestattung läuft in Corona-Zeiten anders ab: Der Bestatter führt Anwesenheitslisten mit den Namen der Angehörigen, des Pfarrers sowie des anwesenden Friedhofpersonals. Falls jemand positiv auf das Coronavirus getestet wird, sind Infektionsketten so leichter nachzuvollziehen. Vielerorts wird der Sarg nicht im Beisein der Angehörigen abgelassen. Die Beisetzung ist technischer als gewohnt.

Der Sarg wird nach der Zeremonie von vier Sargträgern mit Mundschutz abgelassen, auf wenigen Friedhöfen gibt es auch Senkapparate: Damit wird ein Sarg durch Gewinde- und Kettensysteme mechanisch abgelassen. Die Beschränkung auf zehn Angehörige bei der Bestattung hat viele Menschen sehr belastet. Den Trauernden fehlt dadurch der Trost und Zuspruch von Verwandten, Freunden und Nachbarn.

Trotz der Beschränkungen haben sich viele Angehörige eine besondere Trauerfeier einfallen lassen, etwa mit einem Musiker, der am Grab gespielt hat. Das ist oft persönlicher als die klassische Orgelmusik. Seit Montag haben Friedhöfe wieder mehr Spielraum: Es sind wieder mehr als zehn Angehörige erlaubt und auch die Kapellen sind auf manchen Friedhöfen wieder offen.

Die Trauerfeier und der Leichenschmaus fallen hingegen weiterhin weg. Das Beisammensein mit Familie und Nachbarn und das gemeinsame Abschiednehmen empfinden fast alle als wichtigen Schritt im Trauerprozess. Ob diese andere Art zu trauern Langzeitschäden bei Angehörigen hinterlassen wird, ist allerdimgs noch nicht ­abzuschätzen.

(protokolliert von Merlin Bartel)
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