Bewerber für ein Soziales Jahr sind rar

Finanzielle Anreize gibt es kaum — doch die Erfahrungen im Dienst prägen oft ein ganzes Leben.

Bewerber für ein Soziales Jahr sind rar
Foto: Stephan Köhlen

Hilden/Kreis Mettmann. Can Frieters darf während der Arbeitszeit „Mensch ärgere dich nicht“ spielen. Das freut auch Gertrud Neumann. Seit einem Schlaganfall vor anderthalb Jahren wohnt sie im Haus Buche im Dorotheenviertel der Graf-Recke-Stiftung. „Der Can ist sehr nett, der zeigt überhaupt keine Berührungsängste“, sagt die Seniorin. Sie habe sich längst an ihn gewöhnt. Doch bald muss sie sich wieder an jemand anderen gewöhnen. Denn Cans Dienstzeit im Haus Buche ist fast vorbei. Can ist FSJler. Im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres unterstützt er die hauptamtlichen Kräfte im Seniorenheim. „Ich erledige die Aufgaben, für die das Pflegepersonal keine Zeit hat“, schildert der 18-Jährige. Dazu gehören die Mahlzeitenbetreuung — und eben auch Freizeitangebote.

Michael Zieger, Heimleiter

Früher gab es im Dorotheenviertel sieben Zivi-Stellen, zum Teil wurden Wartelisten geführt. Heute ist Can allein auf weiter Flur. Die Stiftung findet kaum noch Bewerber für ihre sieben Stellen und ist froh, wenn sie wenigstens eine besetzen kann. Auch die Stadt Hilden hat noch eine Stelle zu vergeben, ebenso wie die private Kindergruppe Haan. Die Freiwilligen sozialen Dienste im Erzbistum Köln betreuen für den Kreis Mettmann 134 Stellen, von denen im Mai noch 52 unbesetzt waren.

Sieben Jahre ist es her, dass der Wehrdienst ausgesetzt wurde, und damit auch der Zivildienst. Seither heißt der Zivi nun „Bufdi“, für „Dienstleistender im Bundesfreiwilligendienst“ — macht aber im Prinzip das Gleiche. Er oder sie übernimmt Hilfstätigkeiten in der Regel in sozialen Bereichen wie der Kinder- und Jugendbetreuung oder der Alten- und Krankenpflege. Neben dem damals neu eingeführten Bufdi gibt es weiterhin, wie schon seit 50 Jahren, das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), etwas später kam das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) hinzu. Während der Bundesfreiwilligendienst (BFD) über das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) zentral koordiniert wird, organisieren die sozialen Träger wie Internationaler Bund, die evangelische und die katholische Kirche, das Deutsche Rote Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt, der Arbeiter-Samariter-Bund oder der Malteser Hilfsdienst ihre FSJler-Stellen in Eigenregie.

Frieters, der in Hilden die Wilhelm-Fabry-Realschule besuchte, hat von seinem FSJ profitiert. „Diese Arbeit hat mein Selbstbewusstsein gestärkt, ebenso wie meine Team- und Kritikfähigkeit. Und ich habe die Bestätigung gefunden, auch zukünftig im sozialen Bereich arbeiten zu wollen.“ Nach dem FSJ beginnt Frieters eine Ausbildung zum Kinderpfleger, die er zum Erzieher ausbauen will. Auch Michael Zieger, Leiter des Dorotheenviertels, hat vor seiner beruflichen Karriere Zivildienst absolviert, als Rettungsassistent. Das sei für ihn damals „orientierungsgebend“ gewesen.

Vielen Menschen fehle es nach der Schule an einer Vorstellung für ihren Lebensweg. „Ich bin in dieser Zeit erwachsen geworden, was man in der Schule nicht wird“, betont Zieger. Junge Leute übernähmen im FSJ oder BFD „oft zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich Verantwortung“.

Da aber niemand zu einem FSJ oder BFD gezwungen werden kann, bleibt den Einrichtungen nichts anderes übrig, als aktiv dafür zu werben, einen Freiwilligendienst einzulegen.

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