Gedenkstätten: Angehörige trauern am Straßenrand um ihre Toten

Private Gedenkstätten für Unfallopfer im öffentlichen Raum nehmen zu. Sie sind nicht genehmigt, werden aber geduldet.

Kreis Mettmann. Jani ist 16 Jahre alt, als er in Haan tödlich verunglückt. Es ist Winter, die Straßen sind vereist. Ein Lkw-Fahrer verliert im Kreisverkehr die Kontrolle über seinen Wagen, das Fahrzeug schliddert gegen ein Straßenschild.

Das Schild knickt um und trifft den 16-jährigen Schüler. Jani stirbt noch am Unfallort. Seine Freundin, mit der Jani Arm in Arm nach Hause geschlendert war, wird schwer verletzt.

Sechs Jahre ist das her. Noch heute erinnert ein Schild am Straßenrand an den tragischen Unfall. "In ewiger Erinnerung an Jani", steht da, daneben sind ein großes Herz und ein Foto des Jungen abgebildet. Familienangehörige oder Freunde haben Stiefmütterchen am Unfallort ins Gras gepflanzt. Ein Grablicht brennt.

Als eine neue Form der Trauerbewältigung bezeichnen Seelsorger diese Art von Gedenkstätten, die immer öfter im Kreis zu finden sind. Jürgen Draht, Pfarrer und Notfallseelsorger des Kirchenkreises Düsseldorf-Mettmann hat selbst einen Familienangehörigen verloren.

Sein Bruder starb mit 19 Jahren bei einem Verkehrsunfall. Auch er habe in der Schockphase den Wunsch gehabt, den Unfallort aufzusuchen. "Oft habe ich darüber nachgedacht, warum wir kein Kreuz an dieser Stelle aufgestellt haben." Damals sei das aber noch nicht verbreitet gewesen.

Vor drei Jahren auf dem Südring in Mettmann: Ein 61-jähriger Mann will ein Auto mit Anhänger überholen. Der 61-Jährige ist auf dem Motorrad unterwegs. Als er zum Überholen ansetzt, schwenkt der Wagen vor ihm in eine Grundstückseinfahrt ein.

Der Motorradfahrer prallt in Höhe der Deichsel gegen den Anhänger und wird unter der Hinterachse des Pickups eingeklemmt. Als der Notarzt eintrifft, kann er nur noch den Tod des Mannes feststellen.

Ein kleiner Grabstein erinnert an den Unfall vor drei Jahren, auch hier Grablichter und ein Strauß mit frischen roten Blumen - auch ein Zeichen, dass der Verlust noch nicht bewältigt ist. Ein Jahr soll die Tauerphase in der Regel dauern.

Eine Ansicht, die Draht nicht teilt: "Einen festen Zeitraum gibt es nicht", sagt er. Mitunter würden Grabsteine oder Kreuze den Angehörigen es einfacher machen, die Trauer öffentlich zu machen.

"Ein Kreuz an der Straße ist eine Form, Trauer zu den anderen zu bringen." In der heutigen Zeit die Trauer nicht selbstverständlich. "Der Druck ist groß, so dass viele schnell wieder arbeiten", sagt Draht. Schwarze Kleidung, die ja auch die Funktion habe, den Trauernden zu schützen, trage heute niemand mehr. "Auch das Sechs-Wochen-Amt ist eine Ausnahme."

An der Meiersberger Straße in Ratingen ist die Stelle, an welcher der Gerhard Oselka 2005 tödlich verunglückte, noch genau auszumachen. Der 41-Jährige verlor damals die Kontrolle über seinen Wagen und raste in ein Gerätehaus. Die Hauswand stürzte teilweise ein - erkennbar ist das an den hellen Backsteinen die später neu eingefügt wurden.

Ein Unfall an den auch Thomas Decken von der Kreispolizei, sich noch erinnert - wie an alle anderen: "Das ist immer sehr tragisch", sagt er. Obwohl die Gedenkstätten eigentlich angemeldet werden müssten, als "Sondernutzung des Straßenseitenraumes", wird nur eingegriffen, wenn sie den Verkehr behindern - aus Mitgefühl mit den Angehörigen.

Decken sieht den Sinn hinter den Gedenkstätten, sagt aber auch: "Vom Gas gehen Raser an solchen Stellen nicht." Problematisch seien die Stellen auch für solche Fahrer, die an einem Unfall mit tödlichen Ausgang beteiligt gewesen seien. "Sie werden zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit immer wieder an den Vorfall erinnert."

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