Siegfried Jahnke: „Es war eine barbarische Zeit“

Siegfried Jahnke hat seine Erlebnisse in jahrelanger DDR-Haft in einem Buch veröffentlicht.

Erkrath. Das Jahr 1950 war für Siegfried Jahnke das schlimmste seines Lebens. Die russischen Besatzer in Berlin hatten die Gefängnisse an die Volkspolizei der DDR übergeben. Das Essen wurde noch schlechter, und Siegfried Jahnke, der seit einem Jahr in Bautzen im Gefängnis saß, erkrankte schwer — unter anderem an Rheuma. „Damals war ich 20 Jahre alt“, erinnert sich der heute 82-Jährige. Vor zwei Jahren hat er seine Erlebnisse in einem Buch veröffentlicht. Darin erzählt er auch von „heiteren Begebenheiten“. „Das Leben war drinnen genauso emotional wie draußen“, sagt er. „Es gab Höhe- und Tiefpunkte.“

Im Jahr 1949 hatte der Oberste Sowjet Siegfried Jahnke zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt — wegen Spionage. Jahnke war immer ein politischer Mensch. „Solange ich denke, denke ich politisch“, sagt er. Das wurde ihm 1949 in Ost-Berlin zum Verhängnis. Er lehnte die Mitarbeit in der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ) ebenso ab wie die Gründung eines Schülerrates, „der nach dem Willen sowjetischer Kulturoffiziere aus FDJ-Mitgliedern bestehen sollte. Ich verlangte eine geheime Wahl, die man schließlich unter Beifall der Mehrheit der Schüler durchführen musste“.

Einige Tage später stand ein Polizeibeamter der Abteilung K5, der späteren Stasi, bei Jahnke vor der Tür und plauderte mit dem damals 19-Jährigen. Weil er ins Visier der Staatsschützer geraten war, drängten ihn seine Eltern Ost-Berlin in Richtung Westen zu verlassen. Um den Besuch einer Privatschule und eines Zimmers in West-Berlin finanzieren zu können, schrieb Jahnke für Zeitungen und „observierte stundenweise für eine Detektei untreue Ehemänner“.

Dann kam der 5. März 1949. „Mein Vater hatte Geburtstag“, sagt Jahnke. Über Schleichwege wollte er unbemerkt nach Hause kommen. „Aber ich hatte nicht gedacht, dass sie vor der Tür meiner Eltern auf mich warten würden“, sagt Jahnke und muss heute noch lächeln, wenn er daran denkt, wie naiv er damals war. Siegfried Jahnke wurde verhaftet, verurteilt und verbrachte siebeneinhalb Jahre in den Gefängnissen Hohenschönhausen, Bautzen 1 und Torgau.

„Das war eine barbarische Zeit“, sagt Jahnke und schildert dennoch auch heitere Begebenheiten. „Die Zeit hat uns geprägt. Einige wurden depressiv, andere satirisch-zynisch.“ Jahnke gehört zu letzteren. „Das Leben meistert man mit einem Lachen oder gar nicht“, sagt der sympathische Schriftsteller, der auch Satire und Lyrik schreibt. Aber wie viele andere Häftlinge dachte er auch an Selbstmord — 1950, als er so schwer erkrankte, dass die Ärzte über die Amputation seines Beines nachdachten.

Dass er die Zeit in den Gefängnissen dennoch fast unbeschadet überstanden hat — durch die Rheumabehandlung erlitt er einen Herzfehler, „aber mit dem kann ich gut leben“ — erklärt Jahnke mit seinem damaligen Alter. „Wir waren alle junge Leute, die das Leben noch nicht kannten“, sagt er. „Dann kommt man da leichter durch.“

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