Ist der Pferdeschänder psychisch krank?

Die LVR-Ärztin Jutta Muysers spricht über mögliche Hintergründe und Erklärungsmuster für die Tat.

Ist der Pferdeschänder psychisch krank?
Foto: Anna Schwartz

Erkrath. Die Polizei ist auf der Suche nach einem Pferdeschänder, der in den vergangenen Monaten dreimal Pferde auf Reiterhöfen am Erkrather Niermannsweg im Genitalbereich schwer verletzte. Noch fehlt von dem oder der Unbekannten jede Spur. Die schrecklichen Übergriffe in Erkrath sind kein Einzelfall. Wir wollten von der forensischen Ärztin in der LVR-Klinik in Langenfeld, Jutta Muysers, etwas über die Motive und die vom Täter ausgehende Gefahr erfahren.

Frau Muysers, gibt es Erklärungsmuster, warum Menschen immer wieder Pferde, Schafe oder Kühe schwer verletzen?

Muysers: Einheitliche Muster gibt es nicht. Es gibt mehrere Möglichkeiten: Der Täter könnte jemand mit einer schweren psychischen Störung oder Erkrankung sein. Oder es könnte sich um einen Menschen mit geistiger Behinderung und gleichzeitiger extremer Zerstörungswut handeln. Allerdings wirkt sich die eher selten so gezielt auf den Genitalbereich aus, wie im Erkrather Fall. Es kann aber auch Motive geben, die mit dem Ort zu tun haben. Dies sind nur allgemeine mögliche Erklärungen. Es spricht auf jeden Fall viel dafür, dass mit so einem Menschen etwas nicht in Ordnung ist. Ein Tier derart zu verletzten, bedeutet die Grenzen von moralischer Integrität verlassen zu haben.

Die vorherrschende Meinung ist, dass wer sich derart an Tieren vergreift, irgendwann auch vor Menschen nicht Halt macht. Stimmt das?

Muysers: Das ist die größte und verständliche Angst. Es gibt sadistische Sexualstraftäter, die solche Dinge machen und später auch auf Menschen übergehen. Das ist aber extrem selten. Oft werden solche Taten dann in der frühen Jugend begangen. Aber es wäre hier reine Spekulation, so etwas anzunehmen.

Ist davon auszugehen, dass die Taten in Erkrath sexuell motiviert sind?

Muysers: Nicht unbedingt, es können auch reine Zerstörungswut und Aggression sein.

Ich erinnere mich an einen Fall in Neuss, bei dem eine 17-Jährige einen Schafbock geköpft und mehrere Ponys schwer misshandelt hat. Sind solche Taten alters-oder geschlechtsabhängig?

Muysers: Es sind oft junge Menschen und eher männliche. Das Mädchen die Täter sind, ist selten, weil sie in diesem Alter richtige Pferdenärrinnen und Tierliebhaberinnen sind. Gewalt und Aggression sind generell eher männliche Verhaltensweisen.

Ist der Hang zur Brutalität korrigierbar?

Muysers: Viele psychische Störungen und Erkrankungen sind behandelbar. Wahnvorstellungen können mit Medikamenten und durch Psychotherapie zurück gehen. Eine möglicherweise bestehende geistige Behinderung bleibt natürlich bestehen, aber im Falle von Aggression und Zerstörungswut können soziale Normen eingeübt werden. Sadistische Täter sind schwer behandelbar. Ihnen fehlt die moralische Kompetenz, sich in andere Lebewesen hineinzuversetzen. Den Entwicklungsschritt, den wir als Kinder machen, haben sie nicht gemacht.

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