Der Frohsinn regiert die Stadt

Jeckes Treiben beim von der Karnevalsgesellschaft „Die Letzten Hänger“ organisierten Karnevalszug in Alt-Erkrath.

Erkrath. Es ist Samstag, 13.30 Uhr. Eine Horde maskierter Gestalten steht auf den Stufen der Stadtsparkasse. Sie tragen blaue Hosen, rote Sweatshirts mit sechsstelligen Nummern, haben die Augen geschwärzt. Ein Kinderwagen ist auch dabei — darin liegt die neun Monate alte „Kleinkriminelle“ Fiona. Die Panzerknackerbande ist guter Dinge: „Beim Karnevalszug nachher schlagen wir zu“, ulken sie.

Einen großen, grauen Tresor haben sie dabei. „Den zu bauen hat eine Woche gedauert“, lässt sich Panzerknackerin Sabine entlocken. Und damit niemand ihr übles Ansinnen durchschaut, tarnt die fidele Bande das Gerät als Lagerort für Hopfenblütentee. Ob ihr Coup gelingen wird? Die Polizei ist weit weg. Um diese Uhrzeit liegt der Fokus der Erkrather auf dem Gerberplatz. Gleich soll der von der Karnevalsgesellschaft „Die Letzten Hänger“ organisierte Zug starten.

Tinnitus fördernd schallt die Musik über den Platz. 25 Wagen und Fußtruppen haben sich versammelt. Die Teilnehmer kennen, umarmen und bützen sich. „Ach, da bist Du ja — nee, Du verteilst rohe Eier?“ Letzteres wird Alfred Niek gefragt. Das Urgestein ist der Hahn im Korb der Elternpflegschaft der Albert-Schweitzer-Schule. Die Eltern sind als Hühnerschar unterwegs — inklusive Dieb und Koch, der alle in die Pfanne hauen möchte. Sie werden hartgekochte Eier verteilen. Außer dem Frohsinn haben sie ein ernstes Anliegen. Das zeigt ihr Mottowagen. Sie befürchten, dass die Hauptschule die Schotten dichtmachen muss.

Auch die 100 Mitglieder starke IG Erkrath hat einen politischen Wagen gebaut. Loreleyblond mit grünen Augen und dunkelrotem Kussmund ist Regierungspräsidentin Anne Lütkes zu sehen. Seit Jürgen Büssow nicht mehr amtiert, setzt die IG in Sachen CO-Pipeline auf einen neuen Dialog mit der Behörde und plädiert für einen Bürgerentscheid.

14.11 Uhr — wenn dat Trömmelche jeht, kommen die Narren in Bewegung. Konfetti und Luftschlangen weisen den Zugweg, Kinder rufen „Helau“ und hüpfen aufgeregt von einem Bein auf das andere. Vorweg zieht das Fanfarenkorps aus Essen, gefolgt von Engeln und Teufeln, die sündige Kalorien aus ihren Taschen zaubern und unter die Jecken am Straßenrand verteilen.

Bis der bunte Zug die Wartenden an der Bahnstraße erreicht, wird es noch eine Stunde dauern. Hat die Panzerknackerbande die Zeit genutzt und sich alle Zutaten für ein zünftiges Geldbad aus der Sparkasse besorgt? Nein. Die sympathische Gruppe steht fröhlich da und wirkt friedfertiger als die kleinen Krokodile und Eisbärchen. Die vertreiben sich die Zeit mit Toben, bewerfen sich mit den Stofftaschen, die mit Süßigkeiten gefüllt werden sollen.

15.15 Uhr, die Fußtruppen, Funkenmariechen, Tambourkorps und Wagen erreichen die Fußgängerzone. „Helau Bahnstraße“ grüßen die Grünen von ihrem Mottowagen. Sie plädieren für Biokost und dioxinfreie Eier. Karnevalshochburg-tauglich ist der Wagen des Löschzuges Alt-Erkrath, gebaut nach einer Idee von Nico Schlüter. „Der Berliner Wilde Westen hält uns alle hier zum Besten“, prangt es vom Wagen. Vor dem „Fort Reichstag“ donnert aus Kanonen, was gemeint ist: „Krankenkassenerhöhung“, „Laufzeitverlängerung“.

„Guck mal, das ist von der Elisabeth ihr Bruder“, ruft eine jecke Dame entzückt und springt behände auf den Treckerfahrer zu. Der lacht, zaubert für sie eine Tüte Popcorn aus der Tasche. Die jecke Nachfrage „Flachmann?“ bleibt vom charmanten „Elisabeth ihr Bruder“ unbeachtet. Ein winziger Fahnenträger des Hattinger Tambourkorps rettet derweil blitzschnell ein verwaistes Bonbon von der Straße.

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