Demokratie „Mitbestimmen können wir nichts, anregen aber viel“

Krefeld · Serie Manfred Grünwald ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Krefelder Bürgervereine (AKB). Im Gespräch erklärt er, was die 35 Vereine in der Stadt bewegen können.

 Manfred Grünwald spricht über Demokratie in Krefeld und die Arbeit der Bürgervereine. Foto: Dirk Jochmann

Manfred Grünwald spricht über Demokratie in Krefeld und die Arbeit der Bürgervereine. Foto: Dirk Jochmann

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Herr Grünwald, haben Sie den Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Krefeld persönlich mitbekommen?

Manfred Grünwald: Nein, ich war an diesem Tag beruflich unterwegs, sonst wäre ich gerne ins Rathaus gekommen.

Dabei hätte es viel zu besprechen gegeben. Schließlich sind die Bürgervereine ein wichtiger Bestandteil der Demokratie in Krefeld. Welche Rolle nehmen sie genau ein?

Grünwald: Eine durchaus wichtige. Die Bezirksvertretungen als unterste Stufe des demokratischen Systems in Krefeld sind viel jünger als die Bürgervereine. Wenn man sich zum Beispiel anschaut, dass allein die Bezirksvertretung in Krefeld-Mitte für rund 45 000 Einwohner verantwortlich ist, war es ein Glücksfall, dass wir in Krefeld durch die Bürgervereine bereits eine funktionierende Ebene institutionalisiert hatten, die mit ihren Bezirken kleinteilig die Belange der Menschen wahrgenommen hat und heute mit ihren gewachsenen Strukturen und Kontakten den Bezirksvertretungen zuarbeiten können. Mit ihren vielen Vereinen, flächendeckend im ganzen Stadtgebiet.

Wie funktioniert das genau?

Grünwald: Teilweise in Personalunion (Parteien und Verwaltung), teilweise durch regelmäßige Besuche der Sitzungen der Bezirksvertretungen, teilweise durch enge Kontakte zu den Bezirksvorstehern und Bezirksvertretern.

Bezirksvertreter und Bürgervereine arbeiten also Hand in Hand?

Grünwald: Richtig – und darüber hinaus natürlich auch mit den Politikern im Stadtrat und den Abgeordneten auf Landes- und Bundesebene. So haben wir auch viele Ratsmitglieder oder politische Ehrenamtsträger, die in den Bürgervereinen aktiv sind. Damit haben wir teilweise eine Paralleldurchdringung der Bürgervereine in die Politik und die Verwaltung hinein. Wir haben in Krefeld drei Säulen, auf denen gemeinsames Handeln beruht, das es so in anderen Städten nicht gibt. Die gewählten Politiker, die Verwaltung und eben die Bürgervereine als strukturierte Zivilgesellschaft.

Was bewirkt das?

Grünwald: Sind sich alle drei Seiten einig oder engagieren sich gemeinsam gut abgestimmt, wird sehr effizient gehandelt.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Grünwald: Tagesaktuell fällt mir das Ortseingangsschild in Holterhöfe ein. Dort muss sich gar nicht erst eine Bürgerinitiative zu diesem Thema bilden, weil der Bürgerverein sich des Themas bereits angenommen hat.

Wie mächtig ist die Stimme der Bürgervereine?

Grünwald: Das kommt auf die handelnden Personen an. Wenn bei mir eine Sache aus der Bürgerschaft aufläuft, kümmere ich mich auch darum. Und sei es, das Thema in der Presse öffentlich zu machen, wenn es über direkte Kontakte nicht geht.

Wie eng sind die Bürgervereine vernetzt?

Grünwald: Durch die AKB – Arbeitsgemeinschaft Krefelder Bürgervereine sind sie sehr gut vernetzt, nicht nur untereinander. Von den insgesamt 35 Bürgervereinen in Krefeld sind 31 in unserer Arbeitsgemeinschaft vertreten.

Ist dieser Zusammenschluss auch in anderen Städten ein Thema?

Grünwald: Ich kenne Vergleichbares aus keiner anderen Stadt. In den meisten Fällen gibt es dort nur Bürgerinitiativen. Die lösen sich dann aber auch schnell wieder auf, wenn ihr Anliegen erledigt ist.

Gibt es Nachwuchssorgen?

Grünwald: Es gibt heutzutage viele Mitbürger, die gerne mal kurzfristig helfen wollen, sich aber nicht langfristig in Strukturen binden wollen. Das Engagement in einem Bürgerverein hängt oft auch vom eigenen Lebenszyklus ab. Junge Menschen haben doch erst mal andere Dinge zu tun, als sich um ihr Viertel, ihre Straße, ihren Bezirk zu kümmern. Das ändert sich meistens erst dann, wenn familiäre und berufliche Ziele zu großen Teilen erreicht sind. Die meisten Menschen kümmern sich erst ums Gemeinwohl mit 40 bis 45 Jahren.

Wie viel Mitbestimmung haben Bürgervereine in Krefeld?

Grünwald: Bestimmen können wir gar nichts, dazu fehlt das politische Mandat. Anregen können wir aber einiges. Wir haben uns als Bürgerverein Krefeld-Ost in den letzten dreieinhalb Jahren gegen Wohnungsprostitution eingesetzt, gegen den Müll auf den Straßen und die Trinkgelage im Bereich Vereins-, Seiden- und Alte Linner Straße.

Wie genau gehen Sie solche Probleme an?

Grünwald: Wir sind gut vernetzt, haben unsere Kontakte in die zuständigen Fachbereiche der Verwaltung, zur Polizei und anderen Behörden. Da funktioniert Kommunikation mit den entsprechenden Stellen, die für die Themen Ordnung, Sauberkeit, Soziales und anderes verantwortlich sind. Wir sorgen dafür, dass die Verantwortlichen nicht weghören, und informieren über Missstände, die dort oftmals nicht bekannt sind.

Wie wird man Mitglied in einem Krefelder Bürgerverein?

Grünwald: Das ist ganz einfach: Entweder man wendet sich direkt an die zuständigen Bürgervereine oder man fragt bei der Arbeitsgemeinschaft Krefelder Bürgervereine nach. Wir vermitteln dann an die zuständigen Ansprechpartner in den jeweiligen Vereinen.

Sie sind nicht nur AKB-Vorsitzender, sondern auch Vorsitzender des Bürgervereins Krefeld-Ost, der in der östlichen Innenstadt angesiedelt ist. Inwieweit sind auch die Bürgervereine dafür verantwortlich, Themen wie Integration, Migration und Generationendialog voranzutreiben?

Grünwald: Eigentlich müssen die Bürgervereine das machen und sind auch schon dran. Eigentlich ist das aber auch nicht alleine unsere Aufgabe. Da braucht es in Krefeld-Mitte vor allem auch Streetworker / Sozialarbeiter auf den Straßen, die ansprechen, ansprechbar sind und vermitteln. In einigen Monaten werde ich den Versuch unternehmen, auf der Vereinsstraße für alle im Bezirk, die Fragen haben, eine Anlaufstelle mit Sprechstunden des Bürgervereins einzurichten.

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