Wo Händler und Huren lebten

Zwei Tage dauerte das Castellfest in Linn. Römische Funde und Grabungen faszinieren Besucher.

Gellep. Erstmals hatte das Museum Burg Linn zu einem zweitägigen Castellfest eingeladen. Und es kamen Tausende, die etwas aus der Zeit vor etwa 2000 Jahren erfahren wollten. Auch wenn es keine komplette Garnison mehr gab, stiefelten einzelne römische Soldaten oder Legionäre im schweren Gewand durch die Gegend, galoppierten bosnische Gebirgspferde auf einer abgesteckten Reitbahn oder erklärten, wie die Römersleut‘ früher lebten. Auch das Schleifen von Edelsteinen und das Weben wurde gezeigt.

„Ich wohne schon seit etwa 50 Jahren in Krefeld, habe mich schon immer für die römische Geschichte interessiert und wollte dies jetzt mal an Ort und Stelle sehen“, sagt Adelheid Müller, die mit ihren Söhnen Rolf und Achim und ihrem siebenjährigen Enkel Konstantin auf das große Grabungsfeld an der Gelleper Straße gekommen war. Die 79-Jährige hört bei einer Führung aufmerksam den Erläuterungen der Archäologen zu. „Mich interessieren vor allem die Gräberfelder“, sagte die Dame, die beeindruckt ist, aus welchen unterschiedlichen Bodenschichten die Archäologen ihre Schlüsse ziehen.

„Wir stehen hier auf einem römischen Straßenpflaster und in einer Zivilsiedlung, in der früher einmal die Händler und Huren lebten“, erklärt gerade Eric Sponville, der gemeinsam mit Christoph Reichmann, Stefanie Kraus, Sebastian Knurrer und Vicky Appel die Führungen macht.

Rede und Antwort steht auch Hans-Peter Schletter. „Seit Mai arbeiten wir hier auf dem etwa 3,7 Hektar großen Areal mit elf Archäologen und Grabungstechnikern, außerdem Studenten und einigen Ehrenamtlern“, erklärte der Projektleiter. Im Februar 2018 will man mit diesem Grabungsgebiet fertig sein. „Sehr schade, dass man den imposanten Brennofen hier nicht bergen und so der Nachwelt erhalten kann“, sagt ein 52-jähriger Gelleper, der auch fragt, woher der Siedlungsname „Gelduba“, aus dem später Gellep wurde, eigentlich herrührt. Da gehen die Meinungen auseinander. Jedenfalls war wohl schon der römische Garnisonsplatz so benannt. Der Name hat im ursprünglichen Sinne etwas mit Befestigungen und Siedlungen zu tun, könnte sich aber auch von der früheren Ortschaft Stratum ableiten lassen.

Einige Grabungspfunde, wie Münzen oder Teile von Vasen und Amphoren, sind ausgestellt. Das Interesse an den Führungen ist so groß, dass mehr als geplant stattfinden. Und auch an anderer Stelle wird den Kindern und Erwachsenen etwas geboten. So ist ein kleines Ritterlager aufgebaut, das mit Spielen eine Geschichtsstunde zum Anfassen bietet.

Als Bogenschütze zeigt sich beispielsweise „Gartalas“, der mit bürgerlichem Namen Ralf Möller heißt. Aus Michael Kandler wird der Legionär „Marcellus“. Kandler trägt ein Kettenhemd und erläutert geduldig die Details seiner Rüstung mit den vielen Behältnissen für den Proviant, den die Römer bei den tagelangen Märschen brauchten. „So eine Rüstung mit allem Drum und Dran war bis zu 45 Kilogramm schwer“, erklärt Kandler. Dazu zählte auch das Pilum, der Wurfspeer.

Museumsleiterin Jennifer Morscheiser freut sich über das enorme Interesse. Da wird auf einem kleinen Ofen mit Holzkohle Fladenbrot gebacken, sind ein Schmied und eine Kammweberin bei der Arbeit. Aus den Niederlanden ist Harold Pieters gekommen. Er ist Lehrer an einer Oberschule, erläutert in Gellep das römische Alphabet und dass man vor rund 2000 Jahren meist mit Stilos auf kleine Wachstäfelchen geschrieben habe. Teilweise gingen die Lehrer früher von Ort zu Ort und unterrichteten nur diejenigen, die mit Münzen oder anderen Dingen bezahlen konnten.

„Das ist alles sehr spannend, vor allem die Schwerter und Kostüme“, sagt Alex (9). Sein Freund Aaron ist direkt als römischer Soldat gekommen, mit Holzschwert und Helm. „Ritterkämpfe würde ich später auch mal machen“, sagt er.

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