Azubi-Portal Schulpraktikum: Wichtige Chance statt lästiger Pflicht

Serie In eine Firma hineinschnuppern, weil es in der Schule so vorgeschrieben ist, klingt vielleicht nicht cool. Ist es aber, sagen Experten: Praxiserfahrung erleichtert den Weg in den Beruf.

 Wie eine Ausbildung tatsächlich aussieht, können Schüler nur erahnen. Ein Praktikum hilft, mehr zu erfahren und vielleicht auch schon einen Fuß in die Tür einer Firma zu bekommen.

Wie eine Ausbildung tatsächlich aussieht, können Schüler nur erahnen. Ein Praktikum hilft, mehr zu erfahren und vielleicht auch schon einen Fuß in die Tür einer Firma zu bekommen.

Foto: Waltraud Grubitzsch

Anziehen, frühstücken, Tasche packen, Schuhe und Jacke an und los – wenn so ein normaler Morgen für Schüler aussieht, dann ändert ein Praktikum auf den ersten Blick nur wenig daran. Statt auf den Schulweg geht es dann zum Beispiel in eine Fabrik, eine Praxis, ein Büro oder ein Geschäft. Aber für den Horizont, fürs Leben, für den späteren Beruf ändert sich einiges, werben Lehrer, Berufsberater und Firmenchefs dafür, das in der Schulzeit vorgeschriebene Praktikum nicht nur als Pflicht, sondern als Chance zu verstehen.

„Die Jugendlichen stecken tief im System Schule drin“, beschreibt Edgar Lapp, Koordinator für den Übergang Schule-Beruf bei der Agentur für Arbeit in Krefeld, die Ausgangslage, „durch ein Praktikum bekommen sie eine Ahnung, was in der Welt passiert, in der sie später einen Beruf finden wollen“. Damit sich Schüler entscheiden könnten, welcher berufliche Weg am besten zu ihnen passt, empfehlen die Berufsberater „Praxis, Praxis, Praxis“, sagt Edgar Lapp. „Sie sollten einfach alle Formate nutzen, die angeboten werden.“

Denn zu den Standardelementen des NRW-spezifischen Übergangssystems „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAOA), die landesweit vorgeschrieben sind, gibt es in den Städten oder Regionen immer auch noch weitere Elemente (siehe Kasten). Ob Speed-Dating mit Unternehmen, Tage der offenen Tür in Unternehmen, auch speziell für Schüler im Übergang zum Berufsleben, oder auch mal ein freiwilliges Praktikum in den Ferien, egal. „Die Schüler sollten so viele Möglichkeiten wie möglich nutzen, damit die Schwelle zwischen Schule und beruflichem Alltag sinkt“, meint Lapp.

Bei der Frage, wie viel solche Erfahrungen bringen, verweist Lapp unter anderem auf eine empirische Untersuchung von Studierenden der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Duisburg. Sie hatten stellvertretend an Realschulen in Krefeld geforscht, warum deren Schüler sich eher nicht für eine duale Ausbildung – also aufgeteilt in Betrieb und Berufsschule – entschieden. „Es lag daran, dass die Schüler dachten, wenn sie sich einmal für eine solche Lehre entschieden hätten, seien sie immer festgelegt“, erläutert Lapp. Die Fachhochschüler fanden bei ihrer Untersuchung aber auch heraus: Je mehr Praktika Teenager während ihres Schullebens gemacht hatten, umso eher waren sie in der Lage, sich für eine passende Ausbildung zu entscheiden.

Aus ganz vielen Gründen profitierten die Unternehmen davon, Praktikumsstellen anzubieten, sagt Lapp. „Das fängt mit dem unverstellten Blick der Jugendlichen auf althergebrachte Prozesse an, also frischer Wind, den die jungen Leute mitbringen, und gute Ideen, von denen die Unternehmen profitieren können.“ Vor allem aber lernen die Firmenchefs und -mitarbeiter junge Menschen kennen, die sie angesichts des Fachkräftemangels dringend brauchen. Lapp: „Die Luft wird dünn für die Arbeitgeber. Der Ausbildungsmarkt ist in einigen Branchen zu einem Bewerbermarkt geworden.“ Die Schüler können sich im Prinzip aussuchen, wen sie als Chef wollen und nicht mehr andersherum.

„Wenn Betriebe zukünftig qualifizierten Nachwuchs finden wollen, dann müssen sie sich heutzutage eigentlich bei den zukünftigen Azubis beziehungsweise Praktikanten bewerben“, sagt auch der Krefelder Kreishandwerksmeister Rolf Meurer, „denn ein Praktikant schlecht behandelt wird oder ein Azubi nichts lernt, dann spricht sich das schnell rum. Wer so operiert, wird keine jungen Leute für seinen Betrieb gewinnen.“ Und wenn ein mieses Betriebsklima herrsche, wenn man junge Leute nicht motivieren und begeistern könne, dann gingen sie. „Das müssen auch die Betriebe kapieren“, so Meurer, selbst Elektro- und Gas-, Wasserinstallateurmeister mit eigenem Betrieb im Kreis Viersen.

Schulnoten alleine
sagen nichts aus

Auf jeden Fall sollten Schüler ein Praktikum „als Chance sehen und die Zeit nicht absitzen“. Das betrifft seiner Ansicht nach auch gerade solche Teenager, deren Schulnoten nicht so überragend sind. „Schulnoten sind geduldig“, befindet der Krefelder Kreishandwerksmeister, „sie sagen nicht immer alleine etwas über die Eignung eines jungen Menschen aus“. Es gebe viele, die talentiert und geschickt seien, aber nicht so großes Interesse an Theorie haben. „Sie sind eher Praktiker. Wenn sie die Chance bekommen, etwas zu schaffen, dann können sie sich an dem Ergebnis erfreuen.“ Wer mit einem „in Anführungszeichen mittleren Schulabschluss“ starte, könne mit sehr gutem Ergebnis die Ausbildung abschließen. „Es ist nicht nur eine intellektuelle Frage, sondern eine Frage der Motivation“, so Meurer. Wenn Jugendliche diese Motivation im Praktikum beziehungsweise in der Ausbildung erlebten, Spaß an der Arbeit hätten, wissbegierig seien, dann sei erstaunlich, „was da zutage kommt“.

Meurer weiß: „Im Handwerk erwarten die Kunden, dass die Mitarbeiter perfekte Qualität abliefern. Aber es gibt auch Anforderungen ans Persönlichkeitsprofil, weil man im direkten Austausch mit dem Kunden ist. Da braucht man soziale Kompetenzen, muss auf Kunden eingehen, höflich sein, korrekt und die Baustelle sauber hinterlassen.“

Solche „Soft skills“, also weichen Fähigkeiten, die nichts mit Fachwissen zu tun hätten, sein rund um einen Auftrag nötig. „Und die stehen nicht im Zeugnis.“ Um sie zu erlernen, sei aber ein Praktikum bestens geeignet. „Da fällt man zum Beispiel dem Gesellen im Kundengespräch nicht ins Wort und reißt das Gespräch an sich.“

Schon bei der Bewerbung fürs Praktikum geht es für Meurer mit den Kompetenzen los. „Wenn die Eltern anrufen oder sogar mit ihrem Kind zur Vorstellung mitkommen, ist das Gespräch für mich schon so gut wie beendet“, erklärt Meurer. „Die Eltern meinen das nicht böse. Aber sie müssen sich daran gewöhnen, dass ihre Kinder selbstständig werden müssen.“ Andererseits sei auch ein guter Umgang der Chefs und Mitarbeiter im Betrieb mit Praktikanten wichtig. „Das ist nicht mehr so wie früher, mit Hierarchien und dem Meister von Gottes Gnaden, bei denen ein Praktikant oder Lehrling unter der Türschwelle reinkriechen muss.“

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