Historie Textilindustrie: Ein Strukturwandel geht auch ohne Subventionen

Krefeld · Die Krefelder Textilunternehmen erhielten keine finanzielle Hilfen – einige haben sich aber neu erfunden – während beim Kohle-Ausstieg aktuell 40 Milliarden Euro von der Regierung bereitgestellt werden.

 Das Haus der Seidenkultur an der Luisenstraße erinnert an die „gute alte Zeit“ der Samt- und Seidenstadt. Auf unserem Archivbild führt Weber Manfred Weisters Besuchern einen Jaquard-Webstuhl vor.

Das Haus der Seidenkultur an der Luisenstraße erinnert an die „gute alte Zeit“ der Samt- und Seidenstadt. Auf unserem Archivbild führt Weber Manfred Weisters Besuchern einen Jaquard-Webstuhl vor.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Im offiziellen Logo ist Krefeld immer noch die „Stadt wie Samt und Seide“. Erinnert wird damit an die goldenen Jahre der Texilindustrie, als Kaiser, Könige und Klerus sich mit den kostbaren Stoffen aus Krefeld kleideten. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Der Niedergang hatte eigentlich schon Ende des 19. Jahrhunderts begonnen, als immer mehr Firmen fusionierten, um noch am Markt bestehen zu können. Heute ist von der traditionellen Samt- und Seidenproduktion wenig übrig geblieben. Neue Arbeitsplätze wurden an anderer Stelle geschaffen. Diesen Strukturwandel musste die Stadt ohne staatliche Hilfe stemmen.

40 Milliarden Euro aus dem Staatshaushalt hat die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission kürzlich in ihrem Konzept zum Ausstieg aus der Kohle-Verstromung den betroffenen Regionen in Aussicht gestellt. „Krefeld musste den Strukturwandel ohne nennenswerte Fördermittel hinbekommen“, berichtet Eckart Preen, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung. Die Stadt sei über Jahrzehnte nicht in den entsprechenden Programmen aufgetaucht.

Erst Ende 2014 habe sich das geändert, als man zum Erhalt von Mitteln aus dem Regionalen Wirtschaftsförderungsprogramm (RWP) in den Kreis der D-Fördergebiete aufgenommen wurde. Diese Gelder von Bund, Ländern und EU fließen nur in besonders strukturschwache Regionen des Landes. Antragsberechtigt sind allerdings nicht die Städte selbst, sondern gewerbliche Unternehmen, wenn sie betriebliche Investitionen vornehmen, die Arbeitsplätze schaffen oder sichern können. „Unter sehr engen Voraussetzungen“, so Preen, könnten diese Mittel dann gewährt werden.

Doch der Großteil des Wandels vollzog sich ohne solche Hilfen. Viele traditionsreiche Firmen der Vergangenheit sind einfach vom Markt verschwunden. Andere mussten sich quasi neu erfinden, um weiter bestehen zu können.

Die Vereinigten Seidenwebereien, selbst schon Resultat einer lange zurückliegenden Fusion, haben unter dem Namen Verseidag Indutex mit technischem Textilien ihr Überleben gesichert. Ihre Produkte werden weltweit in der textilen Architektur verwendet. Auf Stadiondächern sind sie ebenso zu finden wie am berühmten Hotel Burj Al Arab in Dubai.

Ebenfalls noch am Markt ist die TAG, ein Spezialist für textile Beschichtungen. Das damals insolvente Unternehmen war 2007 von der Firma Kleinewefers erworben worden, die wiederum 2009 auch die Verseidag übernahm. „Nur so konnten die erheblichen Probleme ihrer damaligen niederländischen Muttergesellschaft gelöst werden“, urteilt Unternehmer Jan Kleinewefers, der im Rückblick wenig von „Krefelder Textilpoesie“ hält.

Bekannte Krawattenhersteller haben hier ihren Sitz

Die Industriebeteiligungen von Kleinewefers werden über die Jagenberg AG gemanagt. Gemeinsam habe man einen „sehr substanziellen Beitrag“ zur strategischen Festigung und damit zum Erhalt der Verseidag als aktiven Textilbetrieb erbracht, sagen Jan Kleinewefers und Geschäftsführer Dr. Erich Bröker. Das Know-how der TAG habe man übernommen und so neue Absatzmärkte erschlossen. Mit sehr hohem finanziellen Aufwand sei es schließlich gelungen, die Marke wieder rentabel zu machen und dadurch einige hundert Arbeitsplätze zu retten und zu festigen.

Die beiden letzten größeren Texilfirmen Krefelds habe man auf diesem Weg innerhalb von zehn Jahren durchgreifend saniert und zusammen neu aufgestellt. Das sei voll auf eigenes Risiko geschehen, ohne einen Cent an Subventionen, betont der Unternehmer. Und „nebenbei“ sei bewiesen worden, dass textile Spezialitäten auch zu deutschen Kosten produziert und abgesetzt werden können.

In kleinerem Maßstab geschieht dies in Krefeld auch an anderer Stelle: Einige renommierte Krawattenunternehmen (vor allem Alpi, Ploenes und Ascot) vertreten mit ihren Produkten nach wie vor die Tradition der Samt- und Seidenstadt. Dies tut auf andere Art auch die Firma Interface, ein weltweit führender Hersteller von textilen Bodenbelägen, der seinen Sitz im Mies van der Rohe Businesspark an der Girmesgath hat. Den übrigen Strukturwandel in Krefeld beschreibt Wirtschaftsförderer Eckart Preen so: „Aus den früheren Textilfärbereien entwickelte sich die chemische Industrie, aus den Herstellen von Textilmaschinen wurden Maschinenbauer.“ Auch so entstanden Arbeitsplätze – zum Beispiel in der Chemiebranche.

„Innerhalb von zehn Jahren sind dort allein zwischen 2006 und 2016 rund 1000 Jobs geschaffen worden“, sagt der Wirtschaftsförderer.

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