INTERVIEW China: Harmonie ist das Wichtigste

Krefeld · Interview Die Volksrepublik baut die „Neue Seidenstraße“ aus – und Krefeld profitiert davon. Beim Umgang mit den Handelspartnern gibt es Einiges zu beachten, sagt Ricarda Stamms von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft.

China baut unter dem Namen „Neue Seidenstraße“ sein Handelsnetz auf der Schiene aus. Einer der großen Endpunkte ist Duisburg – und das Umfeld mit Krefeld profitiert davon. Dies ist ein Grund, warum hier deutsche Unternehmer und Wirtschaftsförderer wissen oder lernen müssen, wie man mit chinesischen Partnern richtig Kontakt aufbaut beziehungsweise pflegt. Ricarda Stamms ist bei der Krefelder Wirtschaftsförderung (WFG) für den China-Desk zuständig. Die 40-Jährige weiß, was bei Geschäftstreffen zu tun ist beziehungsweise auf keinen Fall geht. Unter anderem organisiert die Hülserin, die Ostasienwissenschaften studiert hat und Mandarin, die chinesische Hochsprache, spricht, für kommendes Jahr eine Chinareihe für Krefeld, bei der es auch um „interkulturelle Kompetenzen“ gehen wird.

Frau Stamms, es gibt so viele Gerüchte darüber, dass man es sich schnell mit asiatischen – gerade chinesischen – Geschäftspartnern verscherzen kann, wenn man bestimmte Verhaltensregeln nicht beachtet. Ist das wirklich so? Kann man das alles wissen?

Ricarda Stamms: Es empfiehlt sich auf jeden Fall eine gewisse Offenheit mitzubringen, dass die Dinge anders laufen als im Westen. Es ist schwer, das zu verallgemeinern. Aber es ist auf jeden Fall so, dass man respektvoll miteinander umgehen sollte und die Gespräche für den ersten guten Eindruck von Harmonie getragen sein sollten. Im Kontakt mit China geht es zunächst erst um diese Harmonie und nicht direkt ums Geschäft. Während wir erst den Gegenstand der Verhandlungen bearbeiten würden und dann die geschäftlichen Beziehungen verbessern, ist es dort andersherum.

Und wie lässt sich diese Harmonie erzeugen?

Stamms: Indem man sich erst einmal besucht, essen geht, Zeit miteinander verbringt und auch mal bis spät abends gesellig ist, um den Kontakt zu stärken. Wenn die Beziehung dann tragfähig scheint, kann man über das Geschäftliche sprechen. Obwohl wir auch zunehmend beobachten, dass bei den chinesischen Partnern westliche Mechanismen Einzug halten. Wo sich früher Delegationen zwei- oder dreimal trafen, kann es heute auch schon mal sein, dass etwas an einem Tag erledigt ist.

Das heißt, es versuchen nicht nur die hiesigen Geschäftspartner, sich den Gepflogenheiten in China anzupassen, sondern auch andersherum?

Stamms: Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Aber wir sehen schon, dass immer mehr auf westliche Standards Rücksicht genommen wird. Was zum Beispiel auffällt, ist, dass die Chinesen in solchen Gesprächen nicht mehr so häufig ihr Handy auf dem Tisch liegen haben, mitten in Terminen telefonieren oder Sachen nachgucken. Da ist eine Sensibilität entstanden, dass das nicht so gut ankommt.

Was sind denn auch in Sachen Harmonie absolute No-Gos, bei Kleidung, Begrüßung, Verabschiedung, den Gesprächen selbst?

Stamms: Also Dresscodes sind in China nicht üblich. Markenkleidung ist beliebt, aber man muss nichts beachten und kann tatsächlich ganz entspannt in Gespräche gehen. Bei der Begrüßung gilt, dass erst der Delegationsleiter begrüßt werden muss. Dann gilt der Basis-Tipp, der sich ja schon herumgesprochen hat, dass man eine Visitenkarte beispielsweise mit beiden Händen übergibt, weil es mit einer Hand als verächtlich wahrgenommen würde. Aber man sollte dann zum Beispiel auch nichts auf einer solchen Visitenkarte notieren. Wichtig sind immer Geschenke, auch sie stärken die Beziehungen. Es ist auf jeden Fall so, dass man welche bekommt. Dann wäre man also auch gut vorbereitet, wenn man welche dabei hat. Bei den Gesprächen selbst muss man damit rechnen, dass man auch sehr Persönliches gefragt wird, zum Beispiel wie viel man verdient oder warum man immer noch nicht verheiratet ist. Das mag als befremdlich empfunden werden, aber bedeutet, dass man selbst auch alles fragen kann. Was nicht gut ankommt, ist zum Beispiel ein klares Nein. Das wird als unhöflich empfunden, auch extreme Gestik. Außerdem empfiehlt es sich in den Gesprächen, einen Spitznamen zu haben. Die Chinesen wählen etwas, das international klingt. Ich selbst habe auf meiner Visitenkarte neben meinem Namen noch in chinesischen Schriftzeichen Shixiaoying stehen, das heißt kleine Kirschblüte. Absolutes No-Go ist übrigens, sich die Nase zu putzen und das Taschentuch einzustecken. Die Chinesen tragen so etwas nicht am Körper, werfen es weit von sich. Wenn man das nicht will, muss man es irgendwie anders regeln, zum Beispiel dafür rausgehen.

In China stehen die Speisen für alle in der Mitte des Tischs, jeder kann sich etwas nehmen. Kann man beim gemeinsamen Essen viel falsch machen?

Stamms: Wichtig ist die Sitzordnung nach Rang der Teilnehmer. Auch beim Essen kommt eine gewisse Zurückhaltung an. Vielleicht sollte man nicht als Erster zugreifen. Es gilt immer, das Essen sollte opulent und hochwertig sein, um seine Wertschätzung zu zeigen. Wenn man mit chinesischen Geschäftspartnern ein rustikales deutsches Restaurant besucht, darf man sich nicht wundern, wenn man ein halbes Schnitzel auf den Teller gelegt bekommt. Das ist nett gemeint, man will teilen, wie man sonst auch tut. Oft wird auch heißes Wasser als Getränk bestellt und schon mal neben das kalte Bier gestellt, damit das warm wird. Die Chinesen essen nämlich ungern etwas Heißes und trinken dazu etwas Kaltes.

Nun hat man vielleicht ganz viele Dinge beachtet, aber ist doch in ein Fettnäpfchen getreten. Wie kommt man denn da wieder raus?

Stamms: Das kann man leider nicht verallgemeinern. Es ist auf jeden Fall sehr schwierig und sehr langwierig, da wieder rauszukommen.

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