Wirtschaft Wenn Männer oben ohne arbeiten

Krefeld · Immer seltener finden sich Krawatten am Hals der Herren. Warum viele Krefelder Betriebe die Pflicht gelockert haben und wer den Schlips wieder in Mode bringen soll.

 Ein Hemdkragen und eine gebundene Krawatte, viele Unternehmen lockern ihre Kleiderordnung auf.

Ein Hemdkragen und eine gebundene Krawatte, viele Unternehmen lockern ihre Kleiderordnung auf.

Foto: Tobias Hase

Angesprochen auf seine Liebe zum Anzug, sagte Musiker Götz Alsmann in einer Talkshow einst: „Wir ziehen Gott sei Dank nicht in den Krieg oder sind auf Entenjagd oder arbeiten unter Tage. Deswegen müssen wir uns also auch nicht so anziehen.“ Nun ist es beinahe ungebührlich, Alsmann zu widersprechen. Schließlich ist er spätestens durch den Titel „Krawattenmann des Jahres 2004“ in Sachen Stil diplomierter Fachmann.

Doch wer dieser Tage an die Hälse prominenter Männer schaut, bemerkt: All zu viele Alsmänner sind nicht mehr unterwegs. Immer mehr Herren gehen „oben ohne“ zur Arbeit. Selbst Manager von Dax-Unternehmen verzichten in der Öffentlichkeit auf den Schlips. Daimler-Chef Dieter Zetsche probiert es besonders lässig. Krawattenlos, dafür in Jeans und Sneakern, präsentierte er sich etwa beim Autosalon in Paris. „Auch im Alter agil“, so soll womöglich das Signal sein.

Der Abschied von der Krawatte trifft auch die Krawatten-Stadt Krefeld. In Büros geht es weniger formell zu. So etwa bei Canon, dem Kamera-Hersteller mit Deutschlandzentrale im Europapark Fichtenhain. Die Kleiderordnung sei im Unternehmen ein „ungeschriebenes Gesetz“, sagt Sprecherin Bettina Steeger. Ein gepflegtes Auftreten sei heute wie früher eine Frage des Respekts. „Die Krawatte ist heute jedoch weitestgehend aus dem Büroalltag verschwunden“, sagt Steeger. Gleiches gilt für das Kostüm bei den Damen. Selbst bei offiziellen Anlässen ist die Krawatte kein Muss mehr.

Auch das Duzen ist bei Canon selbstverständlich geworden

Bei Canon ist das Krawatten-Aus Teil einer größeren Veränderung der Unternehmenskultur. Parallel hat nämlich eine andere Gewohnheit Einzug gehalten. Alle Mitarbeiter, vom Geschäftsführer bis zum Sachbearbeiter, duzen sich, sagt Steeger. Beide Entwicklungen würden den Austausch auf Augenhöhe und die Entwicklung von kreativen Ansätzen erleichtern.

Für Barbara Pauen muss der moderne Büromann ein furchtbarer Anblick sein. Sie gehört zur Geschäftsleitung der Krefelder Krawatten-Manufaktur Ascot. Natürlich spüre auch ihre Firma die Abkehr von der Krawatte. Die Branche steckt im Tief. Aus stilistischer Sicht kann Pauen den Trend kaum nachvollziehen: „Ein Anzug sieht mit Krawatte besser aus.“ Der habe in der Regel die Farben „anthrazit“ oder „blau“. Der Schlips bietet aus Pauens Sicht die Möglichkeit, sich zu unterscheiden. Hoffnung auf die Trendwende machen ihr gerade junge Leute.

Ausgerechnet die Generation, deren Vertreter mit Jogginghose sogar Schulen und Universitäten besuchen?

„Die Jugend hatte immer Spaß daran, sich anders als die Väter zu kleiden, sagt Pauen. Wenn die sogenannten junggeblieben Väter also mit Jeans, Turnschuhen und bedruckten Poloshirts rumlaufen, darf es für junge Herren etwas schicker sein. So ist zumindest Pauens Hoffnung.

Die Geschäftsfrau beobachtet derzeit allerdings Herausforderungen für die gesamte Textilindustrie. Der Einzelhandel sei gebeutelt. Zu wenige Menschen kommen in die Läden. Pauen wünscht sich daher mehr Mut von den Inhabern. Statt Mainstream-Mode hinter jedem Schaufenster könne der eine oder andere etwas mehr Individualität wagen. So werde der Bummel in der Fußgängerzone abwechslungsreicher. Und ganz nebenbei wären wohl ein paar mehr ihrer Krawatten im Regal.

Auf Interessenten aus dem Autozentrum „P&A – Preckel“ kann Ascot dabei nicht unbedingt zählen. „Seit zwei Jahren ist bei unseren Verkäufern eine Krawatte nicht mehr notwendig“, sagt Sabine Frank, Leiterin des Marketings. Im Sommer darf sogar das Sakko fort, das Hemd reicht. Frank berichtet von positiven Reaktionen der Kunden: „Die Verkaufsberater wirken so nahbarer.“ Das gepflegte, aber nicht zu formelle Auftreten, passe zu ihrem Haus, findet Frank. Schließlich sind viele Autos aus der Mittelklasse, etwa von Renault und Nissan, im Angebot. Dass es im Autohaus, wo tausende Euro über den Tisch gehen, keine Krawatte braucht, erkannte Frank ausgerechnet bei der hochpreisigen Konkurrenz. Sie sei bei Mercedes und Audi gewesen und habe dort Verkäufer ohne Schlips gesehen. Daraufhin habe sie sich gedacht: „Wenn das da klappt, können wir das auch probieren.“

Die Sparkasse bleibt bei der Krawatte für den Herrn

Eine letzte Bastion der Krawatten-Fans ist die Sparkasse Krefeld. Die gilt seit jeher als Heimat der Seriosität. Die Krawatte, meist im hellen Rot, gehört für viele genauso zum Banker wie das Logo. Und so binden sich die Herren dort noch den Schlips um. „Unsere Mitarbeitenden orientieren sich an den im Business üblichen Kleidungsregeln. Dazu gehört in unserem Haus auch die Krawatte für den Herrn“, sagt Sprecher Thomas Loyen. Doch selbst beim Geldinstitut wächst ein zartes Pflänzchen der Lockerheit. Eine Ausnahme vom Dresscode sei die Aha-Filiale am Ostwall, so Loyen. Dort beraten Auszubildende und Jungangestellte die Nachwuchskunden. Die Mitarbeiter tragen ein gepflegtes Freizeitoutfit. „Dies passt an dieser Stelle in die lockere Atmosphäre dieser Filiale“, sagt Loyen: „Konsequenter Weise ist man hier dann auch im Gespräch grundsätzlich per Du.“

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