Baulärm Wie eine Bahn-Baustelle in Krefeld eine Familie fertig macht

Krefeld · Die Nerven einer Familie in Krefeld liegen blank. Aufgrund von Bauarbeiten der Deutschen Bahn können die Nüssers nicht mehr in ihrem Haus wohnen.

 Mutter Christa Nüsser (v.l.) mit ihren Töchtern Simone und Andrea.

Mutter Christa Nüsser (v.l.) mit ihren Töchtern Simone und Andrea.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Für Christa Nüsser ist das Leben derzeit ein Kampf. „Ich bin langsam am Ende meiner Kräfte“, beschreibt die alleinerziehende Mutter, „meine Nerven halten das nicht mehr aus“. Seit dem 10. März pendelt sie täglich mit ihrer Familie zwischen ihrem Haus an der Gabelsbergerstraße und dem TRYP-Hotel im Europark Fichtenhain hin und her.

Grund dafür sind Bauarbeiten der Deutschen Bahn in unmittelbarer Nähe. „Die Arbeiten an der Brücke sind reine Routine- und Sanierungsarbeiten. Vor allem die Stützpfosten müssen zum Teil erneuert werden. Solche Arbeiten finden jedes Jahr statt und wir haben darüber auch in Anwohnerinformationen aufgeklärt“, erklärt ein Sprecher der Deutschen Bahn.

Bereits zu Beginn des Jahres hatte die Bahn mit den Arbeiten begonnen, jede Nacht unter der Woche. Aufgrund des Baulärms übernimmt sie die Kosten für Übernachtungen im Hotel. Die Bahn trägt dabei die Zimmerkosten – Frühstück und Parkgebühren müssen die Anwohner selbst zahlen. „Die Kosten für die Übernachtung in den Hotels übernehmen wir. Es gibt Vertragshotels, in die wir die Menschen schicken. Dabei können wir natürlich keine Unsummen ausgeben. Es gibt ein festgelegtes Budget, dass wir dafür nutzen können.“

An einen festen Tagesrhythmus oder regelmäßige Erholungszeiten sei laut Familie Nüsser derzeit nicht zu denken. Jeden Freitag checken sie im Hotel aus, und am Montag wieder ein — dabei haben sie jedes Mal ihren halben Haushalt dabei. „Der Grund für die Arbeiten ist völlig verständlich. Die Brücke ist schließlich einsturzgefährdet, dass kann man nicht so lassen“, so Nüsser. Das sieht sie nicht als Problem, dieses liegt ganz woanders. Fehlende Informationen seien besonders unangenehm. Von Nachbarn erfuhr Nüsser, dass wohl schon im Februar die ersten Anwohnerinformationen im Umlauf waren. Sie selbst hatte keine bekommen. Und auch das letzte Informationsblatt ist nicht an alle Betroffenen herausgegangen. „Wie soll man sich auf etwas einstellen, wenn man nichts darüber weiß?“, fragt sich die 50-Jährige.

Generell scheint die Baustelle vielen Menschen negativ aufzufallen. Zumindest haben die Stadtwerke Krefeld (SWK) ein hohes Aufkommen an Kundenbeschwerden verzeichnen, wie Thomas Jansen vom Prozessmanagement auf Anfrage mitteilte.

Zwei Kinder, 24 und 16 Jahre alt, einen vierjährigen Enkel, einen schwerbehinderten Bruder (51) und einen Hund — Christa Nüsser hat alle Hände voll zu tun. Es fängt damit an, dass ihre Kinder sich derzeit in der Ausbildung befinden. Mit den neuen alltäglichen Aufgaben und den weiteren Wegen zur Ausbildungsstätte sind sie stark ausgelastet: „Zeit zum Lernen bleibt eigentlich nicht“, heißt es von ihnen.

Auch für den Vierjährigen bedeuten die langen Tage und das Hin und Her eine zusätzliche Belastung. Der Tag hat für ihn keine Struktur. Schwer ist es auch für Christa Nüssers Bruder: Aufgrund seiner starken körperlichen und geistigen Behinderungen – er sitzt unter anderem im Rollstuhl – ist das derzeitige Hotelleben für ihn sehr unangenehm, unter anderem deswegen, weil der Pflegedienst nicht zum Hotel kommt. Das Anziehen der Strümpfe, das Fahren zur Arbeit und vieles mehr muss die Familie derzeit selbst übernehmen: „Es ist eine richtige Meisterleistung, alles zu schaffen und nichts zu vergessen. Der Tag bräuchte deutlich mehr Stunden“, so Nüsser.

Dadurch dass die Familie zwei Autos hat, welche von allen genutzt werden, fehlte manchmal der Rollstuhl. Ganz dreist findet die Mutter zudem, dass „wir die Parkgebühren von 9 Euro am Tag und das tägliche Frühstück für 16,95 Euro pro Person selbst zahlen müssten“.

Darauf verzichten sie, denn die Mutter ist nach einer Darm-Operation immer noch angeschlagen und krankgeschrieben, weshalb es sowieso schon an Geld fehlt. „Wie sollen wir das alles bezahlen?“, fragt sie sich. Ihren Hund gibt sie abends bei einer Bekannten ab, denn er würde im Hotel ebenfalls extra kosten. Abends, wenn man spät wieder im Hotel ist, gibt es außerdem kein Essen mehr. „Die Probleme häufen sich und es nimmt einfach kein Ende.“

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