Blick in die Geschichte Wie der „Kreesboom“ Krefeld und den Niederrhein eroberte

Krefeld · Das Aufstellen eines geschmückten Tannenbaums in Hüls war im 19. Jahrhundert noch eine Sensation.

 Das Aufstellen eines geschmückten Tannenbaums in Hüls war im 19. Jahrhundert noch eine Sensation.

Das Aufstellen eines geschmückten Tannenbaums in Hüls war im 19. Jahrhundert noch eine Sensation.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Der Nikolaustag hatte am katholischen geprägten Niederrhein bis in das 20. Jahrhundert eine größere Bedeutung als das Weihnachtsfest. Adventskränze und Tannenbäume standen bis vor dem Zweiten Weltkrieg eher selten in den Stuben der Krefelder und Niederrheiner. So war das Aufstellen eines geschmückten Tannenbaums in Hüls im 19. Jahrhundert noch eine Sensation.

In diesen Tagen brennen auf den Tischen der Krefelder die Kerzen des Adventskranzes. Dieser Brauch ist in der Region allerdings nicht so alt wie mancher vielleicht vermutet: Als Erfinder des Adventkranzes gilt der Hamburger Theologe Johann Hinrich Wichern (1808-1881). In einem Haus für gefährdete Jugendliche sollte 1839 ein Kranz mit 24 Kerzen auf die Weihnachtszeit einstimmen. Das zunehmende Licht spielte auf das Licht in Gestalt von Jesus an, der die Finsternis erhellt. Der Kronleuchter wurde später durch einen Tannenkranz ersetzt und die Zahl der Kerzen auf vier, für die vier Sonntage vor Weihnachten, reduziert. Dieses Brauchtum verbreitete sich erst nach dem Ersten Weltkrieg am Niederrhein.

Die Bescherung unter dem Tannenbaum war unbekannt

Das Weihnachtsfest blieb bis um 1930 in Krefeld und am Niederrhein eher unbedeutend. Lediglich Kinder und das Gesindel wurden an diesem Tag beschert. Die Bescherung unterm Weihnachtsbaum war hier lange unbekannt, wie beispielhaft eine Geschichte aus Hüls zeigt: Ein Großonkel einer Familie diente als Soldat im protestantischen Potsdam. In der preußischen Garnisonsstadt arbeitete er beim Militär als Schneider. Nach dem Ausscheiden aus dem Dienst kehrte er mit seiner Berliner Frau zum Ende des 19. Jahrhunderts nach Hüls zurück. Während des Weihnachtsabends „rollte“ eine Nachricht durch den Ort. Bei dem ehemaligen Soldaten stehe ein Baum mit Kerzen geschmückt im Haus.

Angeblich strömten die Nachbarn zu dem Haus des Schneiders und bewunderten den Lichterbaum durch die Fenster. Noch um 1910 soll ein Weihnachtsbaum bei den Hülser Familien eher eine Seltenheit gewesen sein. Kinder kamen dann dorthin, wo ein „Kreesboom“ stand, um zu singen und Gedichte aufzusagen. Aus anderen Orten am Niederrhein wird berichtet, dass sich Protestanten an diesem Tag auch etwas schenken. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm der Brauch, einen Weihnachtsbaum aufzustellen und sich an dem Tag zu bescheren, am gesamten Niederrhein zu. Zuerst sollen es besser gestellte Familien gewesen sein, die diesen evangelischen Brauch übernahmen. Dann verbreitete er sich in der gesamten Gesellschaft, auch die Bescherung verlagerte sich vom Nikolaus- auf den Weihnachtstag. Red

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