Wer beten will, bekommt einen Zahlencode

Eine Initiative von Christen verschiedener Konfessionen hat an der Breite Straße ein Gebetshaus für alle eingerichtet. Am 31. Oktober ist Tag der offenen Tür.

Wer beten will, bekommt einen Zahlencode
Foto: Dirk Jochmann

Mitte. „Welcome“ steht auf der Fußmatte, die am Eingang liegt. Die Tür steht offen und gibt den Blick direkt auf ein fast wandhohes Holzkreuz aus schlichten Kieferbrettern und zwei rote Cocktailsessel frei. In einem weißen Regal, das als Raumtrenner dient, steht eine kleine Auswahl Bibeln. Direkt dahinter bilden Stühle einen Kreis um einen runden Teppich. An den Wänden hängen Weltkarten und ein paar Fahnen — unter anderem mit dem Krefelder Wappen.

Das Gebetshaus wirkt durch die hellen und warmen Farben der Einrichtung einladend. Und die Einladung gilt für alle, die beten wollen — egal welcher Konfession sie angehören. Das ist die Grundlage des Angebots, das das Netzwerk „Gemeinsam für Krefeld“ an der Breite Straße 98 aufgebaut hat. Seit der Eröffnung im März haben sich zu den zehn Christen dieser Initiative, die selbst Mitglieder der Evangelischen Landeskirche und verschiedener Freikirchen sind, weitere 30 „Beter“ gesellt, wie sie hier heißen.

Klaus-Jürgen Pütz ist einer dieser Beter. Vier- bis fünfmal in der Woche kommt er selbst in den Gebetsraum, dem gegenüber noch ein Schulungs-, Gesprächs- und Beratungsraum liegt. Der 63-Jährige ist gerade im Gespräch mit einem spontanen Besucher, der das Schild „Gebetshaus“ und die offene Tür gesehen hat und einfach einmal hereinschauen wollte. Solche Begegnungen gehören für Pütz dazu. Der Krefelder, der vor seinem Ruhestand in einem Labor in einem Chemiebetrieb in Uerdingen arbeitete, erzählt von einer Passantin, die kürzlich neugierig ins Haus kam und schließlich mit ihm und seiner Frau gebetet habe.

„Große Versammlungen gibt es hier keine, sondern kleine Gruppen“, erzählt Gerd Goldmann vom Netzwerk, desen Mitglieder 2015 durch das gemeinsame Organisieren von Glaubensveranstaltungen im Seidenweberhaus zusammenfanden. Es geht um Gruppen mit Menschen, die sich schon kennen oder auch erst finden. Alleine Betende gibt es aber auch.

Klaus-Jürgen Pütz, der einst durch private Sorgen zur Bibel fand, war sogar einmal nachts um vier Uhr hier, als er nicht schlafen konnte. „Ich wollte das einfach mal ausprobieren.“ Wer mitmachen möchte und vertrauenswürdig ist, bekommt einen Code, mit dem er das Zahlenschloss an der Tür öffnen kann. „Wir sind keine neue Gemeinde“, betont Goldmann. „Der Gedanke ist, dass Protestanten oder Freikirchliche nicht in eine katholische Kirche zum Beten gehen oder andersherum.“

Das Gebetshaus — das über private Spenden finanziert wurde — soll die überkonfessionelle Zusammenarbeit möglich machen. Beispiele solcher Gebetshäuser gibt es bereits in anderen Städten. Von solchen Vorbildern habe man lernen können, sagt Goldmann. Für Krefeld wurde aber ein ganz anderes, selbstständiges Modell entwickelt.

Ein Ziel des Netzwerks für die Zukunft ist das persönliche Gebet mit Menschen in konkreten Notsituationen des Lebens. Der Fokus liegt allerdings „auf dem gemeinsamen Beten für unsere Stadt Krefeld“, betont Goldmann. Beispielsweise sind dann Nachrichten aus der Stadt, aus der Politik Grundlage für die Gebete, die den aus Gottesdiensten bekannten Fürbitten ähneln und dann beispielsweise auch Gebete für die Verantwortungsträger der Stadt sein können. „Was wir nicht machen, ist Politik, wir nehmen keine Stellung zu politischen Fragen“, sagt Goldmann.

„Wir haben einfach das Anliegen, dass sich etwas in den Herzen der Menschen bewegen möge“, sagt Pütz vor dem Hintergrund der Krefelder Historie mit Blick auf die Mennoniten. „Damals gab es eine hohe Prozentzahl tiefgläubiger Menschen, die diesen Glauben bewusst gelebt haben. Und heute ist es für viele nur ein großes Fragezeichen.“

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