Wenn Müll zum Armaturenbrett wird

Im Meer treibendes Plastik ist ein weltweites Problem. In Krefeld kümmern sich Experten um Produktionsreste aus der Autoindustrie.

Krefeld. Hier ein rundes Loch, da eine viereckige Auslassung: Kabel, Heizungs- beziehungsweise Lüftungskanäle brauchen ihren Platz in Armaturenbrettern — beziehungsweise in den Instrumententafeln, wie die Konstruktionen im Fachjargon heißen. Dafür wird gestanzt und gefräst. Je nach Fahrzeugmodell bleiben von den fünf bis acht Kilo schweren geformten Kunststoffteilen 300 bis 800 Gramm Abfälle übrig. Und zwar nicht Reste eines einzigen Kunststoffs, den man womöglich geschreddert wiederverwenden könnte.

Wenn Müll zum Armaturenbrett wird
Foto: Dirk Jochmann

Instrumententafeln bestehen aus drei Lagen: einer Trägerschicht aus glasfaserverstärktem Hartkunststoff, einer weichen Schaumschicht aus Polyurethan — das man sonst aus Anwendungen vom Haushaltsschwamm bis zur Matratze kennt — und einer Haut aus Weichkunststoff. Fest verklebt sind selbstverständlich auch die Stanz- und Fräsabfälle, die die Entsorgungsgesellschaft Niederrhein GmbH (EGN) ihren Kunden in der Autozulieferer-Industrie vom Hof schafft.

Die drei Lagen wieder voneinander zu trennen, um sie recyceln zu können, ist eine Herausforderung. „Da steckt ein Know-how hinter, das in ganz Europa nur drei Firmen haben“, sagt Alexander Zohlen. Der 57-Jährige ist nicht nur für den Bereich „Vertrieb Großkunden“ bei der EGN mit Sitz in Viersen und damit für genau solche Kunden wie die Autozulieferfirmen zuständig, sondern auch Geschäftsführer der Eco-Care Recycling Solution GmbH mit Standort am Bruchfeld in Krefeld.

3500 bis 4000 Tonnen an Stanzresten im Jahr übernimmt die Tochter der Stadtwerke Krefeld. „Das dürften zirka 400 Lastwagenzüge sein“, rechnet Zohlen vor. Was ganz genau mit dem in Ballen oder lose angelieferten Material passiert, ist ein Firmengeheimnis. Am Anfang steht in den EGN-Hallen am Bruchfeld zunächst auf jeden Fall das Schreddern zu Chipsgröße. In einem zweiten Schritt wird gemahlen und „die verschiedenen Materialien gegeneinander verrieben“, wie es Zohlen beschreibt. Die Messer müssen dabei jeweils genau auf die unterschiedlich zusammengesetzten und zum Beispiel unterschiedlich dicken drei Kunststoffschichten eingestellt werden.

Die Fräs- und Stanzreste, die die drei Mitarbeiter von Eco-Care in der Krefelder Anlage verarbeiten, müssen auch deshalb „absolut sortenrein sortiert sein“, betont Zohlen. Weswegen schon bei den Herstellerbetrieben EGN-Mitarbeiter die richtige Sortierung der Abfälle von täglich rund 3000 bis 4000 produzierten Instrumententafeln von VW Passat, Mercedes-C-Klasse, verschiedenen BMW- oder Opel-Modellen überprüfen.

Im letzten Abschnitt der Recyclinganlage werden die etwa rosinengroßen Hartkunststoff-, Weichkunststoff- und Schaumstoffstückchen voneinander getrennt. Von unten wird Luft unter den Mix geblasen und alle zerkleinerten Bestandteile hochgepustet. Je nach Gewicht fallen sie dann nach unten oder an der Seite heraus. „Dann sind sie allerdings immer noch nicht absolut rein sortiert“, sagt Zohlen und verrät über das Know-how beim weiteren Vorgehen nur so viel: „Wir arbeiten beispielsweise mit elektrostatischer Aufladung.“ Hartkunststoff lädt sich auf, der Schaumstoff nicht. „Ein Teil fliegt weiter weg als der andere“, so Zohlen.

Aus den 3500 bis 4000 Tonnen Stanzresten gewinnt das Unternehmen auf diesem Weg rund 1000 bis 1500 Tonnen Hartkunststoff-Mahlgut, das zurück in den Kreislauf gebracht wird. Das heißt, gemischt mit „jungfräulichem Hartkunststoff wird das wiederum in Instrumententafeln verwendet“, erklärt Zohlen. Dadurch, dass alle aus dem Verbund gelösten Materialien genutzt werden können, kostet die Automobilzulieferer die Entsorgung über die EGN weniger. Ein Marktvorteil für das Nachfolgeunternehmen von Trienekens.

Die restlichen beiden Kunststoffsorten werden thermisch verwertet. Sie dienen in der Zementindustrie als Ersatz für die fossilen Brennstoffe Gas, Öl und Kohle. Solche Kreisläufe seien auch für andere Kunststoffe das Ziel von Eco-Care. „Wir wollen in der Zukunft möglichst viele Kunststoffverbünde recyceln“, sagt Zohlen, „ich habe auch Kinder, denen wollen wir doch eine saubere Umwelt hinterlassen.“

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