Wenn Kinder vor den Eltern gerettet werden müssen

2012 hat das Jugendamt 104 Kinder in Obhut genommen — so viele wie nie zuvor. Im Vergleich zu anderen Städten ist Krefeld jedoch zurückhaltend.

Krefeld. Im vergangenen Jahr wurden 104 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen, um sie vor ihren Erziehungsberechtigten zu schützen. Das zeigen neue Zahlen des Statistischen Landesamtes. Das sind 33 Inobhutnahmen mehr durch das Jugendamt als noch im Jahr 2011.

Die Erklärung der Krefelder Behörde ist einfach. „Die Menschen sind unserer Beobachtung nach aufmerksamer geworden“, erläutert Gerhard Ackermann, Leiter des Jugendamtes. „Ob Lehrer, Erzieher, Nachbarn. Es werden uns häufiger mögliche Fälle gemeldet, als es in den vergangenen Jahren der Fall gewesen ist.“

Diese größere Wachsamkeit sei zu begrüßen. Gleichzeitig gab es auch mehr falsche Alarme. „Da mehr Fälle gemeldet werden, bekommen wir natürlich auch mehr, wo nichts dran ist“, sagt Ackermann. Dass auch insgesamt die Zahl der gefährdeten Kinder und Jugendlichen gestiegen ist, will der Jugendamtsleiter nicht ausschließen. Darüber gebe es jedoch keine Untersuchungen.

Bei den 104 Fällen schritt das Jugendamt zehnmal auf Wunsch der Kinder und Jugendlichen ein. In den anderen 94 Fällen kamen die Hinweise auf eine akute Kindeswohlgefährdung durch die Eltern aus anderen Quellen. „Wenn das Kind von den Eltern misshandelt wird oder wenn unsere Mitarbeiter sehen, dass ein Baby in seinem Kot liegt, dann handeln wir“, so Ackermann weiter. In der Regel seien die Eltern bereit zur Kooperation. „Meistens wollen sie, dass es ihren Kinder gut geht“, berichtet der Jugendamtsleiter. Nur könnten sie aus diversen Gründen nicht mehr für ihre Kinder sorgen.

Bei der einzigen offiziellen städtischen Inobhutnahmestelle — dem Kinderheim Marianum — wird dieser Anstieg nicht dramatisiert. „Unsere Belegung unterliegt übers Jahr gesehen Wellenbewegungen“, erklärt Leiterin Beatrix Raedt. „Es gibt Zeiten, in denen wir viele Kinder aufnehmen. Dann gibt es Phasen, wo wenig Betrieb ist.“

Die zehn dauerhaft vorhandenen Plätze haben eine jährliche Auslastung von 80 bis 90 Prozent. „Im Jahr 2012 waren wir nur zweimal kurzzeitig überbelegt. Da mussten wir ein Ersatzbett ins Zimmer stellen“, so Raedt weiter. Gleichzeitig gebe es auch Pflegefamilien, die Kinder aufnehmen.

Was bei der Betrachtung der aktuellen Statistik auffällt: Trotz des Anstieges in Krefeld ist die absolute Zahl im Vergleich zu einer Stadt wie Mönchengladbach (mit ähnlicher Bevölkerungszahl) noch niedrig — dort gab es im vergangenen Jahr 283 Inobhutnahmen. „Warum es solche Unterschiede zwischen Städten gibt, können wir nicht erklären. Wir wissen nicht, nach welchen Kriterien Mönchengladbach vorgeht“, sagt Monika Kaiser, stellvertretende Jugendamtsleiterin.

Sie könne nur betonen, dass in Krefeld jeder Fall verantwortungsvoll behandelt werde. Kritik, dass aus Kostengründen Kinder lieber ambulant in den Familien versorgt werden, weist Kaiser vehement zurück. „Natürlich ist unser Haushalt gebeutelt. Aber wenn ein Kind gefährdet ist, dann spielt das keine Rolle. Dann nehmen wir es aus der Familie.“

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