Vor Baustart Investor will Gelände der Krefelder Kaserne heimlich komplett verkaufen - entgegen des Plans der Stadt

Krefeld · Der Eigentümer des Geländes der ehemaligen englischen Kaserne in Krefeld bietet das gesamte Areal zum Verkauf an, ohne die Option öffentlich geförderter Wohnungsbau. Während die Architektenbüros nichts von den Verkaufsabsichten wussten, liegt der WZ das Exposé einer Immobilienfirma vor.

 Entwurf der Architekten Lucas Architekten und Schwittmann und Bertrams für den Europapark auf dem ehemaligen Kasernengelände.

Entwurf der Architekten Lucas Architekten und Schwittmann und Bertrams für den Europapark auf dem ehemaligen Kasernengelände.

Foto: Lucas Architekten

Die Offenlage des Bebauungsplans für das Gelände der ehemaligen englischen Kaserne Kempener Feld verzögert sich um ein paar Monate. Der Bauantrag zur Sanierung der Mannschaftsgebäude wird von der Bauverwaltung derzeit bearbeitet. Während die Stadtverwaltung auf den von den Architektenbüros Schwittmann und Bertrams sowie Lucas Architekten zu erarbeitenden B-Plan noch wartet, bietet der Eigentümer Boris Fuchsmann das gesamte Areal über eine Düsseldorfer Immobilienfirma im Stillen zum Verkauf an — ohne die Option öffentlich geförderter Wohnungsbau. Der WZ liegt ein umfangreiches entsprechendes Exposé vor, in dem der Verkäufer sich vorbehält, Gebote unter 39,5 Millionen Euro nicht zu berücksichtigen. Des weiteren wird empfohlen, das gesamte Grundstück zu kaufen. Der Verkauf im „Share-Deal“ ist laut der Immobilienfirma Aengevelt vom Verkäufer erwünscht.

Stadt hat keine direkten Eingriffsmöglichkeiten

Bei einem Share Deal erwirbt der Käufer vom Verkäufer nicht eine Immobilie, sondern Anteile an einer für dieses Bauprojekt zuvor gegründeten Firma. Der Käufer erwirbt nur maximal 94,9 Prozent der Firmenanteile und spart dadurch die Grunderwerbssteuer. Die liegt in NRW bei 6,5 Prozent. Die Süddeutsche Zeitung hat im Sommer dazu getitelt „Das liebste Steuerschlupfloch der Immobiliengesellschaften“ (hier nachzulesen).

Die Stadt ist dennoch zuversichtlich, dass auf dem seit Jahren verwaisten rund 120 000 Quadratmeter großen Kasernengelände das vorgestellte, hochwertige Wohnprojekt mit 450 neuen Wohnungen, Büros, Versorgungseinrichtungen sowie Jugendzentrum und Kindertagesstätte im Laufe der nächsten Jahre entstehen wird. „Wir sind nicht Eigentümer des Grundstücks, haben deshalb auch keine direkten Eingriffsmöglichkeiten“, sagt Stadtsprecher Timo Bauermeister auf Nachfrage. Dass das gesamte Kasernengelände zum Verkauf angeboten wird, ist nicht bekannt. Der ukrainische Investor hat nach Aussage der Architekten von Beginn an aber immer gesagt, dass er Teile davon weiter veräußern wolle. Kommuniziert worden ist das nicht.

„Das ist ein völlig normaler Prozess bei einer Investition von 130 bis 150 Millionen Euro“, sagt Architekt Rainer Lucas. Da suche man Partner, die mitinvestieren und auch im operativen Geschäft tätig sind. Jahrelang hatten Lucas und Schwittmann nach einem Investor für dieses Großprojekt gesucht. Ende 2015 hatte Fuchsmann die Immobilie von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) gekauft. Über die Kaufsumme schweigt die BImA.

Im Oktober 2016 hatten Oberbürgermeister Frank Meyer, Boris Fuchsmann, sein Schwiegersohn Dimitry Agranovitch, die beiden Architekten, Planungsdezernent Martin Linne und Wirtschaftsförderer Andreas Struwe die Planungen für die frühere englische Kaserne vorgestellt. Ab 2017 wollte Fuchsmann im denkmalgeschützten Altbestand der Kaserne und in Neubauten zwischen 400 und 450 Wohnungen errichten. Meyer sprach in dem Zusammenhang von einem „unglaublichen Potenzial für die Stadt“. Krefeld als wieder wachsende Stadt benötige Wohnraum für alle Preissegmente.

 Die ehemalige Kaserne Kempener Feld

Die ehemalige Kaserne Kempener Feld

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

In dem Verkaufsexposé ist hingegen zu lesen, dass „der B-Plan-Entwurf derzeit keiner Forderung nach öffentlich gefördertem und /oder Preis gedämpftem Wohnungsbau“ unterliegt. Ausgeklammert wird dabei, dass es eine Grundsatzentscheidung der Stadt aus dem Jahr 2017 gibt. Die lautet: Dass bei mehr als 100 neuen Wohneinheiten eine nennenswerte Zahl von öffentlich gefördertem Wohnraum vorzunehmen ist. Bei geplanten Bauprojekten wie Fischeln Süd-West oder am Luiterweg in Traar sind bis zu 30 Prozent angedacht.

Düsseldorfer Immobilienfirma hat Exklusivvertrag mit Eigentümer

„Im B-Plan-Entwurf für das Kasernengelände ist das noch nicht entschieden“, sagt Bauermeister. Es gebe nun zwei Wege: Entweder regele man das im B-Plan selbst oder in einem städtebaulichen Vertrag. Der sei Teil des Satzungsbeschlusses im Rahmen des B-Plan-Verfahrens und letztendlich in der Entscheidungsgewalt des Rates.

Laut Aengevelt Immobilien beabsichtigt der Eigentümer die Erschließung des mehr als elf Hektar großen Areals in Eigenregie, in einer kalkulierten Höhe von zirka 9,5 Millionen Euro. Laut Lucas und Schwittmann stehen die Kosten aber noch gar nicht fest. Ob das Bauprojekt in der vorgestellten Form umgesetzt werden kann, sollte sich kein Käufer finden, dazu gibt es keine Auskünfte. Fuchsmann selbst steht für ein Gespräch nicht zur Verfügung. Sein Büro spricht von „Gerüchten“. Eine Nachfrage bei der Immobilienfirma Aengevelt ergibt die Aussage: „Wir haben einen Exklusivvertrag vom Eigentümer für die Vermarktung.“

Statt Fuchsmann sprechen kurze Zeit später – abgestimmt mit dem Investor – die beiden Architektenbüros mit der WZ. „Wir treiben die qualitativ hochwertige Planung weiter so voran, wie vor drei Jahren mit dem Investor beschlossen“, sagt Jürgen Schwittmann. Schwittmann und Lucas haben den Auftrag, den B-Plan zu entwickeln ebenso wie einen Masterplan und die Genehmigungsplanung zu übernehmen. Von der Vermarktungsoffensive zu diesem Zeitpunkt wussten sie nach eigenen Worten nichts. „Aber Herr Fuchsmann und Herr Agranovitch haben zu Beginn auf der Expo Real bei der Vorstellung des Projektes schon gesagt, dass sie weitere Geschäftspartner suchen.“ Um die qualitativ hochwertige neue Bebauung zu gewährleisten, entwickeln die Architekten derzeit laut Lucas zusätzlich selber eine Gestaltungssatzung.

Die Stadt geht weiter von der Entwicklung des Objektes und des Quartiers aus. Der Bebauungsplan werde den genauen Rahmen für eine Wohnbebauung vorgeben, daran sei auch ein möglicher neuer Eigentümer gebunden. Entscheidend sei, dass eine vernünftige Entwicklung dabei heraus komme.

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