Jobmarkt „Es ist fast wie im Ruhrgebiet“

Krefeld · Seit dem 1. Juni leitet Bettina Rademacher-Bensing die Krefelder Arbeitsagentur. Zu ihren Zielen gehört, weitere Angebote für die unter 25-Jährigen zu schaffen.

Bettina Rademacher-Bensing, neue Leiterin der Agentur für Arbeit in Krefeld, hatte einen Arbeitgeber mit „gesellschaftlichem Blick, nicht nur rein wirtschaftlicher Ausrichtung“ gesucht. Das sei für sie die Agentur für Arbeit.

Bettina Rademacher-Bensing, neue Leiterin der Agentur für Arbeit in Krefeld, hatte einen Arbeitgeber mit „gesellschaftlichem Blick, nicht nur rein wirtschaftlicher Ausrichtung“ gesucht. Das sei für sie die Agentur für Arbeit.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Wer mit Bettina Rademacher-Bensing spricht, erlebt eine geistig bewegliche, umtriebige Person mit wachen Augen. „Ich habe in meinem Berufsleben immer stark nach Möglichkeiten gesucht, wo ich gestalten kann“, sagt die frühere Unternehmensberaterin. „Vor Augen zu haben, dass sich Dinge verändern können“, lautet ihr Credo.

Seit dem 1. Juni ist sie Vorsitzende der Geschäftsführung der Bundesagentur für Arbeit Krefeld. Seit 1996 arbeitet die promovierte Sozialwissenschaftlerin in den diversen Funktionen für diese Institution – unter anderem als Beraterin von Hochschulen, operative Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit in Heidelberg und die vergangenen sechs Jahre als Kanzlerin der Hochschulen der Bundesagentur für Arbeit in Schwerin und Mannheim.

„Ich suchte damals einen bundesweiten Arbeitgeber“, sagt die 53-jährige verheiratete Mutter einer Tochter. Er sollte „nicht eine rein wirtschaftliche Ausrichtung, sondern auch einen gesellschaftlichen Blick“ haben. „Wir brauchen Unternehmen, die das Ziel Gewinnmaximierung haben – und Organisationen, die da einen Ausgleich schaffen.“ Die Bundesagentur sei für sie „so eine Organisation“.

Agenturleiterin sieht Chance für lebensbegleitende Beratung

Zur Zeit sei sie, was Krefeld betrifft, noch „sehr in der Sondierung, in welchem Bereich ich meine Ressourcen und die meiner Führungskräfte hineingeben werde.“ Sie wolle „vieles weiter entwickeln und Aspekte stärker betonen“. Als ein neues Feld identifiziert sie schon jetzt die „lebensbegleitende Beratung, die wir vor dem Erwerbsleben ab 2019 einführen können“ und gezielt dann an den Kreis unter 25-Jähriger herangetragen werden soll. Darüber will sie mit einer „bunt gemischten Gruppe aus dem Haus“ beraten.

Den Agenturbezirk nehme sie als „sehr geteilten Arbeitsmarkt“ wahr. Erkennbar sei, dass in Sachen Stellenzugänge „ordentlich was reinkommt – und auf der anderen Seite ist es schwer, die zu besetzen, weil die Arbeitssuchenden nicht über den erforderlichen Kompetenzmix verfügen.“

Und dann gibt es die Teilung für Krefeld und den Kreis Viersen – mit zehn Prozent Arbeitslosigkeit in Krefeld und sechs Prozent im Kreis. „In Krefeld haben wir fast Ruhrgebietsverhältnisse, da sind wir mitten im Strukturwandel und haben den noch nicht bewältigt.“

Der Helfermarkt sei zwar stark in Bewegung, aber von der Konjunktur abhängig. Es gelte, die Lücke zwischen angelernten Kräften und den Fachkräften zu schließen, auch damit diese mehr Geld verdienen können – und „Personen, die jetzt arbeitslos sind, davon zu überzeugen, dass ein Abschluss sinnvoll ist“.

Für bedenklich hält sie die „Verfestigungen bei der Arbeitslosigkeit“. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen liegt in Krefeld bei 47,1 Prozent und im Kreis Viersen bei 38,9 Prozent.

Man wolle da vorbeugend gezielt bei Leuten ansetzen, wo die Möglichkeit der Langzeitarbeitslosigkeit bestehe – wenn jemand häufig Beschäftigung gewechselt hat oder niedrige bis gar keine Qualifikation habe. „Diese Menschen wollen wir überzeugen, dass eine abschlussorientierte Qualifizierung das Richtige ist.“

Auf der Suche nach einem Job lohnt ein Blick über die Grenze

Über das „Wegebau“-Programm wolle man die Arbeitnehmer in den Firmen neu qualifizieren, nennt sie das Stichwort Digitalisierung. Und der Blick richte sich auf Berufe, in denen die Belegschaft nahe der Altersgrenze ist – wie in der Pflege. „Da sind auch die Unternehmen besser aufgestellt, die kontinuierlich selbst ausbilden.“

Ein Akzent werde sicherlich die grenzüberschreitende Kooperation mit den Niederlanden sein, unterstreicht die neue Agentur-Leiterin. In Sachen Arbeitsvermittlung zeigt sich Rademacher-Bensing überrascht, „dass der niederländische Arbeitsmarkt für Leute hier gut ist, die sich insgesamt schwerer tun“. Das berichteten Kunden der Agentur aus der Grundsicherung. „Da können die Niederländer aufgrund ihrer Mentalität und der anderen Firmenkultur anscheinend besser mit umgehen.“ Mit der familiären Form der Ansprache kämen die Kunden zum Teil gut zurecht.

Nun wolle man da mehr Dynamik hineinbringen. Die Arbeitsagentur stelle eigene Vermitttler für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit – im Kreis Viersen, konkret in Nettetal und Niederkrüchten, aber auch in Roermond und Venlo würden Grenzpendler beraten. Es gebe Kontakt zur niederländischen Arbeitsverwaltung. Und am 14. und 15. November läuft eine grenzüberschreitende Jobaktiv-Messe unter dem Motto „Wir kennen keine Grenzen für Ausbildung und Arbeit“ im Königpalast, bei der sich Unternehmer diesseits und jenseits der Grenze präsentieren. „Daraus ergeben sich auch andersartige Kontakte.“

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