Wirtschaft Unternehmen Eukon baut Sonnenhäuser

Krefeld · In der Stadt Ibbenbüren entsteht eine Klimaschutzsiedlung, ähnliche Projekte gibt es auch in Krefeld.

 Jörg Linnig mit einem Sonnenkollektor vor seinem Büro an der Moerser Straße.

Jörg Linnig mit einem Sonnenkollektor vor seinem Büro an der Moerser Straße.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Hoch im Norden von NRW, an der Grenze zu Niedersachsen, liegt die Stadt Ibbenbüren. Dort entsteht derzeit eine neue Klimaschutzsiedlung. Die künftigen Gebäude sollen den Passivhaus- und „Sonnenhausstandard“ erfüllen. Sonnenhäuser decken ihren Bedarf zu einem wesentlichen Teil mit Solarenergie. Im April wurde das Projekt von der Auswahlkommission für Klimaschutzsiedlungen des Landes NRW offiziell als Klimaschutzsiedlung anerkannt. Entwickelt wurde das Energiekonzept dort vom Krefelder Ingenieurbüro Eukon.

Von diesen anerkannten Klimaschutzsiedlungen gibt es inzwischen mehr als 90 im Bundesland, zum Beispiel auch in Viersen, Willich und Mönchengladbach. In Krefeld gibt es Pläne für den Standort Lewerentzstraße/Oelschlägerstraße (die WZ berichtete). Dort ist Eukon allerdings nicht beteiligt. Für das Büro ist Ibbenbüren bereits die vierte Klimaschutzsiedlung, von denen zwei bereits fertiggestellt sind. Dort sind insgesamt fünf Häuser à acht Wohneinheiten vorgesehen, von den ersten beiden Gebäuden steht bereits das Erdgeschoss.

Seit mehr als 25 Jahren befasst man sich an der Moerser Straße mit Themen dieser Art. Geführt wird das Büro von Diplom-Ingenieur Jörg Linnig. Zum achtköpfigen Team gehört auch Ehefrau Ursula. Seit dem Start seiner Selbstständigkeit Anfang der 1990er Jahre hat Linnig bundesweit schon diverse Projekte der besonderen Art auf den Weg gebracht und begleitet. Im Gespräch mit der WZ berichtet er unter anderem vom „ersten Passivhaus im Nicht-Wohnungsbereich in NRW“. Es handelte sich um ein Ärztehaus in Waldbröl. Bei der Sanierung eines Hallenbads in Brüggen habe er sich mit seiner Idee durchgesetzt, vier Wärmeerzeuger einzusetzen (unter anderem Blockheizkraftwerk und Solaranlage), um jeweils den optimalen Nutzen zu erreichen. In Hünfeld bei Fulda war Eukon am Bau eines Fünf-Familienhauses beteiligt, das zumindest theoretisch ohne Hausanschluss auskommen könnte — die Sonne macht’s möglich.

Vor rund vier Jahren seien die Sonnenhäuser als neues Betätigungsfeld hinzugekommen, erzählt der Krefelder Ingenieur. „Bislang ist das eher ein süddeutsches Thema.“ Doch Ibbenbüren zeigt, dass sie auch in NRW Fans haben. Zwei private Investoren brachten den Stein ins Rollen.

Ein besonderer Clou des Vorhabens liegt nach Darstellung von Eukon darin, dass die Gebäude mehr Energie produzieren als sie am Standort benötigen. Die Mieter sollen mit ihrer Miete (kalkuliert sind etwa 9,50 Euro pro Quadratmeter warm) gleich die benötigte Energie gratis dazu bekommen. „Das bedeutet, dass die Energie, die zur Beheizung und für Warmwasser erforderlich ist, sowie ein Kontingent an Strom, das – bezogen auf einen mit energiesparenden Geräten ausgerüsteten Haushalt – üblicherweise erreichbar ist, über die Solaranlagen kostenfrei zur Verfügung gestellt wird.“ Nur wer übermäßig viel verbrauche, zahle Energiekosten.

Während der Einsatz von Photovoltaikanlagen heute fast schon Standard sei, gingen die Investoren in Ibbenbüren einen Schritt weiter, fährt der Ingenieur fort. Eine solarthermische Anlage erzeugt direkt Wärme auf hohem Temperaturniveau für die Warmwasserbereitung und Gebäudebeheizung. „Der Überschuss an Solarenergie im Sommer geht dabei nicht ungenutzt verloren, sondern wird unterhalb des Gebäudes im Erdreich gespeichert.“ Sogenannte Dämmschürzen um die Bodenplatte und das Erdreich sollen dafür sorgen, dass sich ein großes Reservoir an Erdreich über die Sommermonate aufheizt und sich eine große „Wärmeblase“ unterhalb des Gebäudes bildet. Untersucht und entwickelt hat das Büro die Technik bereits im Rahmen eines Forschungsvorhabens vor etwa zehn Jahren in Zusammenarbeit mit der Krefelder Firma Gefa Fabritz und dem Geothermiezentrum in Bochum. Linnig spricht hier von einem „Anergiespeicher“ und einer „exergetisch optimierten Anlagenplanung“ — „doch diese Begriflichkeiten sind wohl nur was für Physik-Freaks“, wie er sagt.

„Wenn die Sonneneinstrahlung nicht in der Lage ist, das Gebäude direkt zu versorgen, wird die Wärme aus dem Erdreich als Wärmequelle für eine Wärmepumpe genutzt.“ Dies erfolge dann mit deutlich höherer Effizienz, als dies bei Wärmepumpen üblich sei. Auf diese Weise wird die gespeicherte Sonnenenergie wieder nutzbar gemacht. Da auch der Antriebstrom für die Wärmepumpe entweder direkt aus der Photovoltaikanlage oder über einen Batteriespeicher kommt, ist das Gebäude damit „nahezu energieautark“ und produziert übers Jahr gesehen mehr Energie als es verbraucht.

 Gleichwohl: Ganz ohne Haushaltsanschluss trauen wir uns noch nicht, gibt Linnig zu. Bedingt durch Kälte und Dunkelheit müssten die Bewohner „für einige wenige Tage im Jahr“ vermutlich noch auf Strom aus der Leitung zurückgreifen. Andererseits soll ja auch der Überschuss im Sommer in das Netz eingespeist werden.

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