Trauerarbeit: Das vergebliche Warten auf Anrufe und Luftküsse in den Himmel

Beate Battenberg und ihre Schwester Doris Schulz haben im vergangenen Herbst ihre 57-jährige Mutter Hannelore verloren.

Krefeld. Wie ist das, wenn Kinder ihre Eltern verlieren? Wie gehen sie damit um, wenn ihnen plötzlich diejenigen fehlen, deretwegen sie überhaupt auf der Welt sind? Die meisten Menschen werden eines Tages mit dem Tod der Mutter oder des Vaters konfrontiert und müssen einen Weg finden, um mit dem Fehlen, mit der Leerstelle, mit dem Schweigen zurechtzukommen.

Auch Beate Battenberg (33) und ihre Schwester Doris Schulz (36) mussten von ihrer Mutter Hannelore (57) im vergangenen Herbst Abschied nehmen. Die letzten Tage ihres Lebens hat Hannelore Lünenstraß im Krefelder Hospiz Am Blumenplatz verbracht.

Dort hat sie auch ihren letzten Wunsch formuliert: Ihre Bilder sollten zugunsten des Hospizes versteigert werden. Die Hobbymalerin, die seit vielen Jahren vor allem Landschaftsbilder in kräftigen Farben schuf, hat die Versteigerung ihrer Werke nicht mehr erlebt. "Es war überhaupt wie ein Wunder, dass sie im Hospiz so aufgeblüht ist", sagt ihre Tochter Beate.

Ihr und ihrer Schwester Doris ist die Entscheidung, die Mutter direkt vom Krankenhaus in Moers, wo sie damals wegen ihres Krebsleidens nicht mehr weiterbehandelt werden konnte, ins Hospiz zu bringen, sehr schwergefallen.

Aber beide Frauen sind selbst Mütter von je zwei Söhnen und hatten zu Hause nicht die Möglichkeit, die Mutter auf ihrem letzten Weg zu begleiten. "Wir mussten damals ganz schnell handeln, weil es hieß, unsere Mutter habe nur noch ein paar Tage zu leben", sagt Doris.

Die Atmosphäre im Hospiz beschreiben beide als sehr familiär, alle seien außergewöhnlich engagiert gewesen. "Als die Oktobersonne schien, haben die Hospizmitarbeiter unsere Mutter in ihrem Bett in den Garten geschoben, damit sie die Sonne nochmal sehen konnte", erzählt Beate.

Die Mitarbeiter hätten sich nicht nur um die Sterbenden gekümmert, sondern seien auch für die Angehörigen immer Ansprechpartner gewesen. "Sie wussten genau, wie sie einem den Druck nehmen konnten", sagt die 33-Jährige, der es noch immer schwer fällt, mit dem Tod der Mutter fertig zu werden. "Ich ertappe mich jeden Tag dabei, wie ich aufs Telefon schaue und auf einen Anruf von Mama warte."

Die Enkelkinder von Hannelore Lünenstraß sind ganz unterschiedlich mit dem Tod ihrer Oma umgegangen. Luc, Beates vierjähriger Sohn, hatte eine große Sorge: "Was mache ich denn, wenn ich die Oma vergesse?" Er schickt regelmäßig Luftküsse in den Himmel.

Doris erzählt, dass ihre beiden Söhne Janek (9) und Lennart (7) im Hospiz in den Keller fahren wollten, um die Gefrierfächer zu sehen, in denen die Verstorbenen nach dem Tod aufbewahrt werden. "Wird man dann ganz steif, wenn man tot ist? Welche Sachen zieht man dann an?" wollten die beiden Jungen wissen.

Trotz ihrer eigenen Trauer müssen Beate und Doris für ihre Familien da sein. Da bleibt oft keine Zeit, um sich zurückzuziehen. Beide haben deshalb Kontakt zu einer Trauerbegleiterin aufgenommen. "Danach bin ich immer total erschöpft, weil so viel Last von mir abgefallen ist", beschreibt Doris die Wirkung dieser Gespräche.

Als nächsten Schritt planen sie eine Mutter-Kind-Kur. "Wir müssen einfach mal was anderes sehen als Krankheit und Tod", sagen beide. Auch Beates und Doris’ Großmutter ist vor Kurzem gestorben. Und ihren Vater haben sie vor Jahren ebenfalls nach einer schweren Krankheit verloren. "Wir sind froh, dass wir uns haben", sagen die Schwestern.

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