Wahlkampf 2020 – ein Porträt Bei Tropenhitze auf Stimmenfang für die Grünen

Krefeld · Die WZ begleitet OB-Kandidat Thorsten Hansen und Direkt-Kandidatin Sarah Stadler beim Häuser-Wahlkampf in Krefeld-Schicksbaum.

 Grünen-Wahlkampf an der Haustür: Sarah Stadler und OB-Kandidat Thorsten Hansen überreichen Kamber und Kerime Sahin (v.r.) ihre Wahlbroschüren.

Grünen-Wahlkampf an der Haustür: Sarah Stadler und OB-Kandidat Thorsten Hansen überreichen Kamber und Kerime Sahin (v.r.) ihre Wahlbroschüren.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

„Besser als kalt und regnerisch“, sagt Thorsten Hansen bei fast 38 Grad Celsius im Schatten an einem Spätnachmittag in Schicksbaum. Der Mann ist Optimist, schließlich ist der Häuser-Wahlkampf bei diesen Temperaturen und aufgeheizten Häuserschluchten kein Zuckerschlecken. Erschwerend hinzu kommen die Sicherheitsmaßnahmen in Corona-Zeiten. Ob die Schicksbaumer überhaupt ihre Türen öffnen, wenn es klingelt?

Der 53-Jährige Diplom-Betriebswirt, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und deren wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher, kandidiert zum zweiten Mal als Oberbürgermeister-Kandidat und für „Grün in Krefeld!“. In grauer leichter Baumwoll-Hose, mit weißem, langärmeligen Hemd und weißen Sneakern kommt er seriös und gleichzeitig leger rüber. In seiner Umhängetasche hat er unzählige Flyer und eine große Flasche Wasser.

Gemeinsam mit Sarah Stadler, der Direktkandidatin im Wahlkreis Gatherhof/Schicksbaum, wirbt er für grüne Positionen und vor allem bei den Bewohnern in Schicksbaum dafür, das eigene Wahlrecht auch zu nutzen. Der Migrationshintergrund ist hoch in Krefelds jüngstem Stadtteil, die Altersstruktur sehr unterschiedlich.

Dennoch zeigt sich beim Rundgang, dass die Nachbarschaft gut funktioniert. „Frau X. ist nicht da“, sagt ein etwa 50-Jähriger, der gerade einen Straßenbaum mit seinem Gartenschlauch kräftig wässert, als Hansen an der Nachbarstür klingelt. Der bedankt sich bei ihm umgehend dafür, dass er öffentliche Bäume bei dieser Hitze gießt. Schließlich ist die Pflege und Bewässerung des vorhandenen Baum- und Waldbestandes ebenso Grünes Programm wie die Attraktivitätssteigerung von Straßenzügen durch Bäume und Beete.

Sarah Stadler ist 40 Jahre, Krefelderin, arbeitet halbtags als Juristin, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Bei den Grünen ist sie aktiv seit 2006. „Umwelt war schon immer ein Thema für mich; zuerst war ich gegen die Atomkraft, später dann für grüne Gärten und Natur.“ Lange lebte sie in Mitte, bis sie sich mit Familie den Traum vom eigenen Garten und Haus in Gatherhof erfüllte. „Ich gehöre zu denen . . .“, sagt sie, spricht nicht weiter, lächelt, und denkt dabei an die von den Grünen angestoßene Diskussion, „in Krefeld künftig auf den Bau neuer Einfamilienhäuser zu verzichten zu wollen“.

Schicksbaum ist ein solcher Stadtteil. Hier haben sich viele ihren Traum von den eigenen vier Wänden erfüllt, die „kleine Idylle vor dem Haus“ sieht für jeden anders aus, für die einen sind es blühende Stauden, für andere zugepflasterte Fläche mit einem einzelnen Blumentopf.

Wo hier mögliche Grünen-Wähler leben, sieht man ziemlich rasch. „Bei der Europawahl hatten wir in Schicksbaum über 30 Prozent“, erklärt Hansen, weshalb das ein guter Ort für Haustür-Wahlkampf sei. Schließlich wollen die Grünen und Hansen insbesondere als Herausforderer von Frank Meyer am 13. September „20 Prozent Plus X“ holen. Wie gesagt, Hansen ist Optimist.

Wer nun aber glaubt, dass er ein „grüner Träumer“ sei, der irrt. Als Manager in einem internationalen IT-Unternehmen denkt er ebenso analytisch und handelt pragmatisch. Auf veränderte Situationen zielführend rasch zu reagieren, gehört nicht nur zu den Aufgaben eines Oberbürgermeisters. Hansen hat einen klaren Gestaltungsanspruch. „Ich möchte Verantwortung übernehmen und Krefeld nachhaltig weiterentwickeln. Mutig und entschlossen.“

Ökologische Stadtentwickung und Digitalisierung sind Themen

In seinem persönlichen Wahlprogramm steht er ein für ein soziales und ökologisches Krefeld, das offenen für andere Kulturen und neue Ideen ist. Akzente setzen will er mit den Schwerpunktthemen Neue Mobilität, Ökologische Stadtentwicklung, konsequenter Klimaschutz, Krefelder Bündnis für Arbeit und Corona-Aktionsplan, Digitalisierung und schnelles Internet für alle sowie gelebte Integration.

Die zahlreichen Schicksbaumer, die ihm und Sarah Stadler an diesem heißen Nachmittag bereitwillig die Tür öffnen, erkennen ihn nicht. Erst seit wenigen Tagen hängen die Wahlplakate in der Stadt. Obwohl er vor fünf Jahren schon einmal als OB-Kandidat angetreten ist, ist er bei Weitem nicht so bekannt wie sein Herausforderer, Frank Meyer, der neben seinem Amtsbonus in Corona-Zeiten auf allen Kanälen und über die sozialen Medien Wahlkampf macht. Dennoch rechnet er sich gute Chancen aus, in die Stichwahl zu kommen.

Man merkt beim Rundgang der Beiden, dass gleichberechtigtes Auftreten bei den Grünen Programm ist. Mal klingelt Sarah Stadtler an einer Tür und stellt sich und Hansen vor, mal ist es umgekehrt. Die meisten an dem frühen Abend nehmen die Wahlinformationen dankend an. „Haben Sie noch Fragen zu einem Thema oder an mich?“, fragt Hansen und lädt freundlich zum Gespräch ein. Für die Meisten ist es an dem Tag wohl zu heiß dafür.

Nicht so aber für einen etwa 30-Jährigen. „Mir sind Digitalisierung und Bildung wichtig“, sagt der junge Mann. Wie wichtig das sei, habe man in den Monaten des Lockdown gemerkt. „Da gibt es in Krefeld noch eine Menge zu tun“, pflichtet ihm Hansen bei und knüpft damit nahtlos an eins seiner Schwerpunktthemen an: Schnelles Internet für alle. Wie rasant sich die Bereiche des Lebens durch die Digitalisierung verändern, erlebe jeder. Eine Voraussetzung für die Nutzung neuer Chancen sei ein schneller Internetzugang, privat, für schulische Zwecke ebenso wie in der Krefelder Verwaltung. „Dass es da noch ziemlich hapert, haben wir während des Lockdowns gemerkt“, sagt Hansen in seiner ruhigen und klaren Art. Dann verabschiedet er sich, ohne den anderen zuzutexten.

Ein Frau mittleren Alters, ein paar Häuser weiter, findet das Engagement der Grünen für neue Fahrradwege gut. „Die St. Töniser Straße und die St.-Anton-Straße gehen gar nicht“, lautet ihr Kommentar, und sie ergänzt: „Krefeld muss fahrradfreundlicher werden!“ „Wir sorgen dafür“, versprechen Stadler und Hansen zum Abschied.

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