Stalking in Krefeld: Wenn der Psychoterror nicht endet

77 Stalking-Fälle wurden bei der Polizei Krefeld im letzten Jahr angezeigt. Die Opfer sehen sich oft in einer ausweglosen Situation. Die Polizei rät Betroffenen, Nachstellungen offen zu thematisieren.

Beim Blick aus dem Fenster wird Nicole anders. Ein Mann mit Kapuze beobachtet sie in ihrem Zimmer. Sein Gesicht kann sie nicht erkennen, er flüchtet. Die 21-Jährige hat Angst. Denn seit zwei Wochen erhält sie anonyme Nachrichten in den Sozialen Medien, in denen sie bedroht wird. „Sie wusste nicht, von wem diese Nachrichten stammen könnten“, berichtet Klaus Kattendahl-Biedemann.

 Symbolbild.

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Foto: Angelika Warmuth

Der 1. Polizeihauptkommissar nimmt mit seinen Kollegen die Ermittlungen auf, als Nicole die Nachstellungen bei der Polizei zur Anzeige bringt. Die Beamten ermitteln, dass die anonymen Nachrichten von Lukas stammen, einem ehemaligen Mitschüler von Nicole, dessen Stimme die 21-Jährige an den ihr geschickten Sprachnachrichten wiedererkennt. „In sehr vielen Fällen stammen die Täter beim Stalking aus dem unmittelbaren Umfeld der Opfer“, sagt Ute Nöthen, Opferschutzbeauftragte der Krefelder Polizei.

Trotz einer Gefährderansprache hören die bedrohlichen Nachrichten an Nicole nicht auf. Es kommt noch schlimmer: Lukas droht, seine ehemalige Klassenkameradin mit Schwefelsäure zu verletzen. Die Polizei durchsucht daraufhin die Wohnung des jungen Mannes und sichert Beweise. Er wird nach Angaben der Beamten zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt. Doch selbst nach diesem Urteil hören die Bedrohungen gegenüber der Studentin nicht auf. „Sie hat uns aber davon nichts mehr erzählt, weil sie dachte, ihr kann niemand helfen“, sagt Nöthen. Eine Sichtweise, die bei Stalking-Opfern oft zu beobachten sei. „Die Betroffenen brauchen Ansprechpartner und müssen die Bedrohungen am besten im Familien- und Bekanntenkreis offen thematisieren.“

Die Polizei ermittelt im Fall von Nicole weiter, spricht noch mal mit dem beharrlichen Verfasser der verstörenden Nachrichten und hat Erfolg. Seit mehreren Wochen ist Ruhe.

77 Stalking-Fälle wurden bei der Polizei in Krefeld im vergangenen Jahr zur Anzeige gebracht. 67 von ihnen wurden aufgeklärt, 66 Täter ermittelt.

Vor einem Jahr wurde eine Novellierung des Stalking-Paragrafen im Strafgesetzbuch beschlossen. Opfer sind jetzt nicht mehr in der Beweispflicht, die ihnen durch die Belästigung zugefügten Beeinträchtigungen im Leben nachzuweisen. „Das war für Betroffene vorher schwierig und belastend“, sagt Nöthen.

Die Beamten raten Stalking-Opfern nicht nur, die Belästigungen und Bedrohungen offen zu thematisieren, sondern sich auch früh Hilfe zu holen — beispielsweise beim Sozialdienst katholischer Frauen (Fachberatungsstelle Häusliche Gewalt). „Die Ansprechpartner dort können weitere Verhaltenstipps geben“, berichtet Nöthen. Auch die Polizei sei natürlich ein passender Ansprechpartner. „Betroffenen muss aber klar sein, dass wir bei Meldung eines Stalkingfalls verpflichtet sind, Ermittlungen einzuleiten.“

Zu allen Terminen bei Beratungsstellen müssten Betroffene nicht alleine kommen, sondern könnten auch vertraute Personen mitbringen. „Die Situation für Opfer ist nicht aussichtslos“, sagt Nöthen.

Die Angaben zu den Personen in dem geschilderten Fall sind geändert worden.

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