Stahl glaubt nicht an DNA-Fund

Nach ARD-Bericht: Krefelds oberster Ermittler zur Colonia Dignidad relativiert hohe Erwartungen. Hopp bestreitet Mord-Beteiligung.

Die Aufregung ist groß, doch Krefelds Oberstaatsanwalt Axel Stahl bremst. Er hat dem ARD-Magazin „Fakt“ ein Interview gegeben zu den Ergebnissen seiner Chile-Reise in die Colonia Dignidad. Am Dienstag wird es gesendet und lässt Sensationelles ahnen. Im „Fakt“-Bericht entsteht der Eindruck, dass Stahl den Fund von menschlichen Überresten bestätigt: „Das ist unglücklich geschnitten. Wir haben Stätten entdeckt, wo mutmaßlich Menschen gelegen haben könnten. Ob da noch irgendwelche DNA zu finden ist, kann ich mir kaum vorstellen.“

Spuren oder nicht, der Fokus liegt mal wieder auf Krefeld. Es ist erst einige Wochen her, dass Opferangehörige erneut vor dem Haus des ehemaligen Sektenarztes demonstrieren. Sie fordern die Wahrheit, Hopp solle auspacken, damit die Familien so vieler Vermisster Ruhe finden. Im WZ-Interview gibt Hopp vor gut einem Jahr zu, zwar von Misshandlungen, Folter und Mord zu wissen, er will davon aber erst im Nachhinein erfahren haben.

Stahl glaubt nicht an DNA-Fund
Foto: Lothar Strücken

Ulle Schauws

Bei dieser Haltung bleibt Hopp bis heute. Axel Stahl ist oberster Ermittler gegen den ehemaligen Sektenarzt Hartmut Hopp. Bei seiner Chile-Reise geht es um drei Oppositionelle zu Zeiten des Pinochet-Regimes, die wie viele andere auf dem Gelände der ehemaligen Colonia Dignidad getötet und verscharrt worden sein sollen. Es gebe, stellt Axel Stahl in Bezug auf den „Fakt“-Bericht fest, keine neuen Ermittlungen. Dabei will der Oberstaatsanwalt die Recherche insgesamt gar nicht infrage stellen. „Vielleicht wurde ja tatsächlich etwas gefunden, aus meinen Unterlagen, die ich noch auswerte, geht das bislang nicht hervor.“ Und auf Krefeld bezogen: „Selbst wenn. Unsere Ermittlungen gegen den Wahl-Krefelder Hopp bringt das nicht weiter. Und wenn festgestellt werden sollte, dass es sich um die drei 1976 in die Colonia verschleppten Menschen handeln sollte, dann führt uns das nicht zwangsweise zu Hopp.“

Stahl befindet sich noch in der Auswertung der Dokumente der Chile-Reise. „Wir haben leider noch nicht alle Übersetzungen, aber ich erhoffe mir schon neue Erkenntnisse. Schließlich hatten wir Zugang zum Archiv der ehemaligen Colonia Dignidad.“

Andere legen den Fokus eher auf die geschichtliche Aufarbeitung, die Opferentschädigung und die Rolle der Bundesrepublik. Krefelder Bundestagsabgeordnete, zum Beispiel. Auf Drängen des Bundestages hatte das Auswärtige Amt Hilfen zur Aufklärung zugesagt, eine direkte Entschädigung der Opfer aber verweigert. Nun soll die chilenische Regierung die Bundesrepublik Deutschland um Unterstützung potenzieller DNA-Spuren gebeten haben.

Für den Uerdinger Otto Fricke (FDP) selbstverständlich: „Es ist die Aufgabe eines Rechtsstaates, die Tatsachen aufzuklären. Soweit möglich sollte Deutschland Chile dabei unterstützen. Unabhängig von der sehr schwer zu klärenden rechtlichen Frage staatlicher Haftung muss unser Ziel sein, den Betroffenen und ihren Familien möglichst formlos und pragmatisch zu helfen - zum Beispiel durch die Einrichtung eines Hilfsfonds, wie er im Beschluss des Bundestages aus der letzten Wahlperiode bereits vorgeschlagen wurde.“ Die „Fakt“-Sendung habe er zum Anlass genommen, „um diesbezüglich noch einmal direkt beim Auswärtigen Amt nachzuhaken“.

Seine grüne Kollegin Ulle Schauws fordert: „Mit der grausamen Bestätigung von menschlichen Überresten in Massengräbern muss die Bundesregierung jede Unterstützung erbringen, damit keine Chance ausgelassen wird, diese furchtbaren Taten dort aber auch die Zusammenarbeit mit der Pinochet Diktatur aufzudecken. Täter, die Menschen zu Tode gefoltert und möglicherweise auch gezielt ermordet haben, dürfen nicht länger aufgrund von fehlenden Beweisen auf freiem Fuß bleiben.“

Hartmut Hopp

Zu neuen Funden auf dem Colonia-Gelände äußert sich Hartmut Hopp am Mittwoch auf Anfrage der WZ wie folgt: „Bezüglich jüngster Medienmitteilungen stelle ich kategorisch fest, dass ich nie direkt oder indirekt in welcher Form auch immer Beteiligung an Mord oder Verschleppung oder Verschwinden irgendeines der politischen Opfer der chilenischen Militärregierung hatte, die ich im Übrigen persönlich auch sehr beklage.“ Außerdem glaubt der Beschuldigte: „Ermittlungen diesbezüglich können und werden endgültig zu keinem anderen Ergebnis kommen. Obiger Tatbestand ist denen, die Derartiges behaupten, bekannt, ihr einziges Ziel ist Verleumdung und Rufmord gegenüber meiner Person.“

Hopps Anwalt Helfried Roubicek, der schon Reemtsma-Entführer Thomas Drach vertreten hatte, legt noch einen drauf und greift die Krefelder Staatsanwaltschaft an: „Vorwürfe der Beteiligung am Mord in Chile sind gegen Herrn Hopp in Deutschland zwar bekannt, doch war schon vor Jahren mit der Staatsanwaltschaft Krefeld abgestimmt, dass er später hierzu Gelegenheit zur Äußerung, und zwar im Rahmen einer staatsanwaltschaftlichen Beschuldigtenvernehmung erhalten, soll. Wiederholte entsprechende Kooperationsangebote und -nachfragen führten bisher allerdings noch nicht zu einer solchen umfassenden Äußerung meines Mandanten bei der deutschen Justiz.“

Roubicek hatte Berufung eingelegt, als das Krefelder Landgericht Hopps Verurteilung in Chile wegen der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch an 27 Kindern nach Jahren endlich bestätigte. Nun warten die Beobachter auf das Oberlandesgericht Düsseldorf, wo der Vorgang seit Monaten liegt. Sollte Düsseldorf das Krefelder Urteil bestätigen, geht Hopp dorthin, wo viele ihn sehen möchten: ins Gefängnis.

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