So klingen die Stadtteile: Linie 43: Die swingende Straßenbahn

Hans-Wilhelm Kraemer, Detlef Wendler und Jochen Kuhn sind Linie 43. Die Band spielt vor allem Skiffle und Swing.

Krefeld/Uerdingen. Hans-Wilhelm Kraemer seufzt leise, als seine Kollegen „Take Five“ anstimmen. Die Komposition des Dave-Brubeck-Quartetts bereitet ihm immer Probleme. Trotzdem steigt er mit ein und lässt sein Instrument schnalzen und brummen. Es klingt in der Tat etwas tapsig, wie er sich durch den vertrackten 4/5-Takt des Jazzstandards tastet.

Das liegt aber weniger an mangelndem Rhythmusgefühl, als viel mehr am Instrument: Kraemer spielt einen Teekistenbass. Der besteht aus einer Holzkiste, einem Besenstiel und einer Wäscheleine — er hat ihn selbst gebaut. Die Eigenkonstruktion hat zwar einen erstaunlich warmen und vollen Klang, aber virtuose Basslinien kann Kraemer damit nicht intonieren: „Soli kann ich schon spielen, aber der Rhythmus steht sehr im Vordergrund. Melodien sind eher schwierig.“

Seine beiden Mit-Musikanten, Detlef Wendler und Jochen Kuhn, halten die behäbige Bass-Box trotzdem für unersetzlich. Auch wenn sie selbst konventionellere und vor allem wendigere Instrumente bevorzugen. Wendler spielt Klarinette und Saxofon, Kuhn Banjo und Gitarre. „Aber der Teekistenbass“, sagt Wendler, „ist unser Alleinstellungsmerkmal. Er unterscheidet uns von 99 Prozent aller anderen Bands.“

Ähnlich randständig ist die Musik, die sie mit ihrer Band Linie 43 spielen: Skiffle und Swing. Der Swing, als Stilrichtung des Jazz vor allem im Amerika der 30er Jahre weit verbreitet, hat immerhin in den Nischen einiger Bühnen und Tanzflächen überlebt. Der Skiffle hingegen ist akut vom Aussterben bedroht. Diese Spielart des Folk war vor allem in den 50er Jahren in England populär, wurde dann aber vom Rock’n’Roll überrollt. Und davon hat er sich nie wieder erholt. Die Herren von Linie 43 jedenfalls kennen keine andere Band in Krefeld oder Umgebung, die Skiffle spielt. Kraemer vermutet lediglich, „dass es irgendwo oben im norddeutschen Raum noch Skiffle-Bands gibt“.

Trotz ihrer Exotik — bei ihren Konzerten bringen die drei Rentner mit dem Teekistenbass ihr Publikum regelmäßig zum Mitsingen. Das liegt wohl daran, dass sie neben Skiffle und Swing auch Schlager spielen. Prompt stimmen sie „Mein Papagei frisst keine harten Eier“ an, ein Hit aus den 20er Jahren. Zwar singen sie dreistimmig, ihr Tonumfang ist aber trotzdem etwas limitiert. Kuhn nennt ihren Gesangsstil „rustikal“. Er sieht das aber eher als Vorteil: „So verlieren die Leute die Scheu mitzusingen.“ Und sollte es auf ihren Konzerten auch Scheu vor dem Tanzen geben — die „swingen und skifflen“ sie einfach weg.

Die Zuhörer, die sie mit ihren Liedern — sowohl Fremd- als auch Eigenkompositionen — zum Singen und Tanzen bringen, sind meist schon etwas länger auf der Welt: Linie 43 tritt häufig in Altenheimen und Krankenhäusern auf. Aber auch auf Rheinschiffen haben sie schon gespielt. Ungefähr einmal im Monat geben sie ein Konzert, immer zum Selbstkostenpreis. „Wir betrachten unsere Band nicht als Erwerbsquelle“, sagt Kuhn.

Die Drei sind mit diesen eher bescheidenen Bühnen zufrieden, würden aber gerne noch eine ganz spezielle hinzufügen. Kuhn, Kraemer und Wendler möchten einmal in der Linie 43 spielen — schließlich stand die Straßenbahn Richtung Uerdingen Pate für ihren Bandnamen. Wendler: „Ich hab’ deswegen auch bei den SWK angefragt. Eine Frau Winkmann hat mir auch eine sehr freundliche Mail zurückgeschickt, aber dann hab’ ich nix mehr gehört.“

„Frau Winkmann“ ist Dorothee Winkmann, Pressesprecherin bei den SWK. Sie kann sich „nur noch vage“ an die Korrespondenz mit Wendler erinnern, macht dann aber eine klare Ansage: Einem Konzert von Linie 43 in der Linie 43 stehe „überhaupt gar nix im Wege.“

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