Fachkräftemangel Hebammen-Sprechstunde in Krefeld aus der Not geboren

Krefeld · Die hohe Haftpflicht macht vielen Freiberuflern das Leben schwer. Schwangere haben daher Schwierigkeiten, Unterstützung zu finden.

Birte Pongs (r.) kommt mit ihrem vier Monte alten Sohn Noah in Lisa Evertz Hebammen-Sprechstunde.

Birte Pongs (r.) kommt mit ihrem vier Monte alten Sohn Noah in Lisa Evertz Hebammen-Sprechstunde.

Foto: NN

Hebammen sind Mangelware geworden – bundesweit. Einer der wesentlichen Gründe: die Berufshaftpflichtversicherung. Freiberufliche Hebammen müssen sie zwingend abschließen und hohe Prämien bezahlen, vor allem, wenn sie auch Geburtshilfe anbieten, klagen die Berufsverbände. Damit Schwangere mit ihren Fragen und Sorgen dennoch eine kompetente Ansprechpartnerin haben, bieten Lisa Evertz und Hanna Schmitz die, wie sie sagen, erste offene Hebammensprechstunde in Krefeld an.

Beide Frauen sind Hebammen und an einem Krefelder Krankenhaus beschäftigt. Evertz ist zurzeit selbst in Elternzeit. Beide wollen Schwangeren gute Begleiterinnen sein. „Wir kennen die Klagen über Übelkeit, Müdigkeit, Stimmungsschwankungen, ein Ziehen im Unterbauch oder Rückenschmerzen. Im Wochenbett können dann Infos zu Haarausfall, Milchstau oder Wiegekontrolle wichtig sein.“

Birte Pongs ist mit ihrem vier Monate alten Sohn Noah bei Lisa Evertz. „Eine Hebamme ist ganz furchtbar wichtig. Ich habe nur mit Glück eine bekommen und bin sehr froh, sie zu haben“, sagt sie. Evertz ergänzt: „Ich habe schon lange über die Situation nachgedacht. Wie sehr Hebammen gesucht werden, zeigt die Tatsache, dass ich täglich fünf bis sieben telefonische Nachfragen für die Vor- und Nachsorge habe.“ Nach ihren Informationen bieten dies knapp 30 Hebammen in Krefeld an.

„Eine einzige Hebamme ist hingegen freiberuflich tätig und bietet Hausgeburten an“, sagt Evertz. Weitere Gründe, warum das so ist, nennt sie: „Es sind auch die stark gestiegenen Kosten für einzelne Schadensfälle, die medizinische, pflegerische und soziale Versorgung und lebenslange Einkommenssicherung der Geschädigten. Auch hohe Prozess- und Anwaltskosten spielen eine Rolle.“

20 000 Euro für eine Berufshaftpflicht

Musste eine Hebamme 1981 noch 30,68 Euro jährlich für die Haftpflicht einkalkulieren, waren es nach der letzten Erhöhung im Juli 2017 bis zu 7 639 Euro. Zwar können Betroffene Zuschüsse beantragen, doch die reichen nach Ansicht der Hebammenverbände längst nicht aus, um die steigenden Kosten zu decken. Doch dabei bleibt es nicht: „Ab 2020 werden rund 20 000 Euro im Jahr für die Haftpflicht fällig – und nach einem Schadensfall kündigt uns die Versicherung den Vertrag“, sagt Evertz.

Sie rät, dass die Frauen sich nach dem positiven Schwangerschaftstest sofort um eine Hebamme kümmern und anrufen. „Ihnen steht eine solche Fachfrau zu. Sie sollten keinesfalls den Ratschlägen mancher Gynäkologen folgen und warten, bis sie nach zwölf Wochen wissen, ob die Schwangerschaft hält. Denn dann bekommen sie in Krefeld keine Fachfrau mehr.“ Egal ob Vor- oder Nachsorge: „Da sind wir ausgebucht bis nächsten Juni.“

Die Hebammen-Sprechstunde sei aus der Not geboren. Oftmals könnten die Expertinnen Fragen von Schwangeren anders beantworten als der Gynäkologe. Es heißt, sie nähmen sich mehr Zeit, seien einfühlsamer, erzählen sie weiter. „Eine Frau, die nach zwei Kaiserschnitten ihr drittes Kind bekommt, braucht eine andere Zuwendung als eine Erstgebärende.“ Das Gute an der freiwilligen Sprechstunde ist, so Hebamme Lisa Evertz: „Die Kosten hierfür werden voll von den Kassen übernommen.“

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