Gelleper Hafen: Einst Eldorado für Schatzsucher

Das Museum Burg Linn katalogisiert Artefakte, die in den 70er Jahren im Hafen gefunden wurden.

Krefeld. Als Bagger bei der Erweiterung des Hafens 1975 in Gellep auf Teile eines historischen Hafenbeckens aus der Römerzeit stießen, beförderten sie auch antike Münzen, Schmuck und Werkzeuge an die Oberfläche. Dass viele der Stücke heute noch erhalten sind, ist auch privaten Sammlern wie Theo Dörkes zu verdanken. Als Nachbarskinder ihm im Januar 1975 die Münze aus der Römerzeit zeigten, die sie im Hafen gefunden hatten, war seine Neugier geweckt. Gemeinsam mit vielen anderen Krefeldern suchte er auf der Baustelle nach Zeugnissen vergangener Zeiten. „Anfangs hab ich die Erde noch mit einem einfachen Küchensieb gefiltert“, erinnert sich der 78-Jährige. „Später habe ich mir von meinem Bruder ein Sandsieb geliehen — da passte mehr rein.“

Von der Ausdauer der Amateure profitieren heute Profis wie Christoph Reichmann, Leiter des Museums Burg Linn, und Archäologin Margareta Siepen. Denn das Museum beteiligt sich seit einem Jahr an dem Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit dem etwas ausufernden Titel „Häfen von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter. Zur Archäologie und Geschichte regionaler und überregionaler Verkehrssysteme“. Dabei wollen die Beteiligten Artefakte aus ganz Europa katalogisieren und die Forschungsergebnisse in einem Buch veröffentlichen. Unter anderem soll geklärt werden, wie Handelswege in der Römerzeit verliefen.

In Krefeld werden Stücke erfasst, untersucht und dokumentiert, die beim Ausbau des Krefelder Hafens gefunden worden sind. Da die offiziellen Stellen in den 70er Jahren kaum Interesse an den historischen Zeugnissen zeigten, ist Siepen auf private Sammler angewiesen. Viele der „Schatzsucher“ von damals hat die Archäologin im vergangenen Jahr besucht, um deren Funde zu fotografieren.

Das außergewöhnlichste Stück: eine dünne Beiplatte, die sich auf- und zuklappen lässt wie der Einband eines Buches. In der Beiplatte befand sich das Abbild von Kaiser Victorinus, der 271 n. Chr. in Köln ermordet wurde. Reichmann und Siepen gehen davon aus, dass es sich um ein sogenanntes „Fluchtäfelchen“ handelt. „Man hat die Tafeln möglicherweise ins Wasser geworfen, um die Unterwelt zu erreichen, wenn man anderen etwas Böses wollte“, erklärt Reichmann das Prinzip. „Wie beim Voodoo.“ Katalogisieren konnte Siepen auch ein Pferdegeschirr, das wohl aus dem Jahr 69/70 nach Christus stammt und wahrscheinlich ebenso unbeabsichtigt im Wasser landete wie ein Schmuckstück, das eine kleine Streitaxt darstellt und wie ein Amulett getragen worden sein muss.

Der Fund, der Siepen am meisten fasziniert, ist auch der Unscheinbarste. Es handelt sich um kegelförmige Bleistücke, mit denen möglicherweise Handel betrieben wurde. „Viele Sammler waren vor allem an Buntmaterial interessiert“, erzählt sie. Dass einige auch das eher stumpfe Blei als erhaltenswert einstuften, sei deshalb etwa Besonderes. Siepen hofft jetzt, dass sich noch mehr Sammler melden, deren Stücke sie katalogisieren kann. Die Sammler können die Fundstücke natürlich behalten, verspricht die Archäologin, der wichtig ist, mit den Zeitzeugen persönlich zu sprechen. „Mich interessieren auch die Geschichten, die hinter den Funden stecken.“ In Gellep war übrigens bereits im Frühsommer 1975 Schluss für die Hobby-Archäologen. Auf der Baustelle hatten sich Gesteinsschichten gelöst und eine Frau mit sich in den Tod gerissen. „Die Hafenbehörde ließ daraufhin niemanden mehr aufs Gelände “, erinnert sich Theo Dörkes. Nicht alle hätten sich allerdings an das Verbot gehalten.

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