Uerdingen Die Drehbrücke aus dem Schuhkarton

In der Gesamtschule Uerdingen dringen die Schüler auch in die Tiefen des Bauwerks vor — im wahrsten Sinne des Wortes.

Krefeld. Kein Rost, kein Staub, kein Taubendreck — die Linner Drehbrücke glänzt vor lauter strahlend schönem Metall. Daneben steht ein kleines Kästchen voller ebenso blitzender Schrauben. Kerim (12) sucht gerade ein paar Exemplare heraus, die rein silbern und nicht auch nur ein bisschen gelblich sind. Denn das ist in seiner Arbeitsgruppe absolut verpönt. Alles soll einheitlich werden bei ihrem Modell der Drehbrücke.

Uerdingen: Die Drehbrücke aus dem Schuhkarton
Foto: Andreas Bischof

Mit 16 weiteren Schülern in fünf Gruppen bastelt Kerim jetzt schon an der zweiten Konstruktion im Schuhkarton-Format oder — bei der Größe — vielleicht besser Stiefelkarton-Format. Vor der Version aus dem Metallbaukasten entstand in der Denkmal-aktiv-AG der Gesamtschule Uerdingen bereits eine Plastikvariante aus den sogenannte Knex-Teilen. Dabei empfanden die zehn bis 13 Jahre alten Jungs auch die Hydraulik nach, die die Brücke anhebt, bevor sie sich drehen kann.

Das Metallobjekt gefällt den Jungs und auch den beiden Lehrerinnen, die die AG betreuen, allerdings besser. „Weil sie dem Jugendstil-Original so viel ähnlicher sieht“, sagen Geschichtslehrerin Anne Ising und Techniklehrerin Silke Nehmzow. Die Schrauben wirkten wie Nieten. Kerim ist begeistert, „weil sie viel größer ist als die aus Plastik“.

„Halt mal fest!“, „Nee, nimm mal die andere Schraube“, „Wo fehlt noch eine?“ Alle AG-Mitglieder sind mit Eifer dabei. Es wird geschraubt, begutachtet, für gut befunden oder wieder abgeschraubt. Seit November beschäftigen sich die Gesamtschüler nun schon mit dem historischen Bauwerk in allen seinen Facetten und konnten dabei auch in seine Tiefen vordringen.

„Alle sind schon mal drübergefahren, aber jetzt können sie wertschätzen, was es für eine tolle Technik ist“, sagt Ising. So erfuhren die Jugendlichen beim Rundgang durch den unteren Teil der Brücke zum Beispiel, dass außer einigen Verschleißteilen alle Innereien noch original vom Anfang des 20. Jahrhunderts stammen. Und sie entdeckten, dass das technische Denkmal nicht nur einfach funktional, sondern elegant und schön entstand. Weil die Bauherren einfach so von der Technik begeistert waren, dass sogar der für die Allgemeinheit nicht sichtbare Teil der Brücke mit einem dekorativen Keramikboden ausgestattet wurde.

Die Begeisterung der Schüler für solche Details macht es den Lehrerinnen leicht, gleich mehrere Ziele der AG zu erreichen. „Grundsätzlich tun sie sich mit historischen Themen nicht leicht“, sagt Anne Ising, „aber das schafft man hier.“

Auch Heimatkunde und vieles mehr können die beiden Pädagoginnen so greifbar vermitteln. So sah sich die AG zum Beispiel einen 30 Jahre alten Film auf Krieewelsch über die einzigartige Brücke an. Danach kamen Vertreter des Mundartvereins in die Schule, um etwas über Krieewelsch zu erzählen. „Ich glaube, dass wir damit auch das Heimatgefühl der Schüler stärken“, sagt Silke Nehmzow, „ganz abgesehen von Zielen wie dem Organisieren und Arbeiten im Team und mit der nötigen Ausdauer.“

Und Sechstklässler Kerim ergänzt: „Es macht einfach Spaß und die Freundschaften, die wir hier haben, sind toll.“ Deshalb will er auch auf jeden Fall bei der nächsten Runde der Denkmal-aktiv-AG mitmachen. Im kommenden Schuljahr soll es um alte Handwerksberufen bei Dujardin gehen.

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