Aus rohem Metall werden kunstvoll fließende Formen

Das Schmiedehandwerk hat Michael Haase sogar bis nach Venedig geführt. Im Krefelder Hafen ist er seit 20 Jahren.

Krefeld-Linn. Es riecht nach verbrannter Kohle und heißem Metall. Wenn Michael Haase mit dem Hammer die Stange aus glühendem Baustahl auf dem Amboss bearbeitet, sprühen Funken. Den schweren Hammer hebt der 51-jährige Meister-Kunstschmied mit Leichtigkeit und lässt ihn immer wieder auf das Werkstück fallen, das in dem Zustand aussieht wie eine Leuchtröhre. Schutz vor dem 1100 Grad heißen Metall bietet lediglich ein Arbeitshandschuh. "Für gewöhnlich trage ich beim Schmieden auch Ohrenschützer", sagt er beschwichtigend.

Wie schweißtreibend diese Arbeit eigentlich ist, wird besonders deutlich, wenn man Haases Praktikanten bei den ersten Schmiedeversuchen beobachtet. Wilke Ferchland (49) macht zur Zeit eine Umschulung zum Kunstschmied. "Ich habe in einer Woche fünf Kilo abgenommen", erzählt er nicht ohne Stolz und wischt sich mit rußgeschwärzten Händen den Schweiß von der Stirn.

Dem Meister entlockt das ledigliche ein schelmisches Grinsen, bei dem seine Augen hinter den kreisrunden Gläsern seiner Brille fröhlich blitzen. "In 31 Jahren Schmiedehandwerk ist man die körperliche Belastung des Berufs gewöhnt", erklärt der knapp zwei Meter große Schmied und beugt sich über das heiße Eisen.

Aber ehrlicherweise erzählt er dann auch, dass er das ein oder andere Mal auf ein heißes Eisen gepackt hat und verzieht bei der schmerzvollen Erinnerung das Gesicht. "Deshalb gilt die Regel, dass alles, was heiß ist, auf den Boden oder neben die Esse, sprich neben die Feuerstelle, gehört." Sein Geheimrezept im Falle von Verbrennungen sind dann Honigpackungen. "Die helfen wirklich", betont Haase.

Seit mittlerweile 20 Jahren hat er seine Werkstatt am Krefelder Hafen. "Ich bin gebürtiger Duisburger und nach Lehr- und Arbeitsjahren in Gummersbach, Mannheim, Ludwigshafen, Essen und Venedig kam ich irgendwann zurück an den Niederrhein und da bot sich mir diese Werkstatt zu einem günstigen Mietpreis an", erinnert sich der Schmied.

In Handwerkermanier richtete er sie sich selbst her und ist seitdem sein eigener Chef. "Die Selbstständigkeit war schon immer mein Ziel", stellt er klar, "denn es ist immer schöner seine eigenen Ideen umsetzen zu können und nicht nur das tun zu müssen, was der Chef dir sagt".

Aber vor allem auch auf die Wünsche seiner Kunden geht Haase ein. Er fertigt kunstvolle Tore, Fenstergitter, Kerzenhalter und vieles mehr. "Das besondere daran ist, dass der Kunde ein auf seine Wünsche maßgeschneidertes Werkstück erhält, da kann er in der industriellen Fertigung lange nach suchen", macht der Kunstschmied deutlich.

"Ohnehin legt Michael Haase viel Wert auf das Handwerk, darauf, dass er sich Zeit nimmt für ein Stück und es mit Sorgfalt bearbeitet", hat sein Praktikant Wilke Ferchland beobachtet. Deshalb mag er es auch nicht, wenn sich einige Schmiede als Kunstschmiede bezeichneten und es eigentlich gar nicht seien, da in deren Werkstatt nicht einmal ein Feuer in der Esse brenne und viele Teile bestellt und einfach zusammengeschweißt würden.

Das käme für Haase nicht in Frage, er liebt die handwerkliche Arbeit und ist voller neuer Ideen. Diese setzt er nicht nur in seinen Stücken um. In der Werkstatt hat er einen alten Bürostuhl umfunktioniert. Dieser hat keine Rollen mehr, sondern ist an einem Metallarm und einer Schiene an der Decke befestigt, so dass er damit zwischen den verschiedenen Arbeitsplätzen hin- und herfahren kann, ohne über den Werkstattboden holpern zu müssen.

Für ein kunstvolles Fenstergitter in Baumform und einer Eule, die darin sitzt, benötigt er ungefähr 40 Stunden und der Preis dafür liegt bei rund 2000 Euro. "Das kann sich natürlich nicht jeder Kunde leisten. Die meisten sind im Alter zwischen 40 und 70 Jahren und oftmals Besserverdiener", gibt er ehrlich zu. Leben kann er von seiner Arbeit trotzdem, "auch wenn nicht unbedingt ein langer Jahresurlaub drin ist, aber dafür erfahre ich große Befriedigung bei der Ausübung meines Berufs."

Er mag fließende, organische Formen im Jugendstil. "Gaudì ist mein großes Vorbild", sagt er über den katalanischen Künstler, der sich in Barcelona mit seiner organischen Schmiedekunst an vielen Gebäuden verewigt hat. Den Beruf des Kunstschmieds will er so lange, wie er kann, ausüben. "Der älteste Schmied, den ich kenne, ist 96 Jahre alt. Wenn ich es so lange schaffe, das wäre großartig", sagt er lachend und greift mit der Zange wieder zu seinem Werkstück.

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