Stadtteil-Crêpes: Den Hülser gibt’s nur mit Zimt und Zucker

Bei Wind und Wetter steht Gabi Rösel an der Hochstraße und backt Crêpes. Jede Variation ist nach einem Quartier benannt.

Krefeld. Der Sechsjährige kann kaum über die Theke des Standes lugen. „Einen Crêpe“, flüstert er verschämt. „Und was soll drauf?“, fragt Gabi Rösel fröhlich. „Zucker!“, erklärt der Junge und klingt dabei bereits ein wenig selbstbewusster. Nachdem Rösel ihm seinen Wunsch erfüllt und den Crêpe über die Theke gereicht hat, lächelt sie. „Die Kinder hab’ ich am liebsten“, sagt sie. Überhaupt habe sie an der Hochstraße einen tollen Job. „Ich habe Kunden in jedem Alter. Auch viele Stammkunden, die auf einen Plausch vorbeischauen.“

Seit Dezember vergangenen Jahres steht Rösel Tag für Tag von frühestens 11.30 bis spätestens 19 Uhr bei Wind und Wetter an der Hochstraße und backt Crêpes. Als Stand hält ein altes, auf Hochglanz poliertes Lastenfahrrad her, das zwei Herdplatten, aber auch eine Kühltruhe beherbergt. Um nicht zu frieren, trägt Rösel, die wirkt, als könne ihr nichts und niemand die Laune verderben, mehrere Schichten Kleidung übereinander, Skihose und Ohrenschützer. Ab und zu wärmt sie sich die Hände über den warmen Herdplatten. Die Idee für den Stand hatten die zwei Jungunternehmer Torsten Feuring und Michael Neppeßen, beide 28 Jahre alt. „In Krefeld wird viel genörgelt“, sagt Feuring. „Deshalb wollten wir etwas auf die Beine stellen, was positiv besetzt und identitätsstiftend ist.“

Als Namen für den Stand wählten die beiden Krefelder die Bezeichnung „Crefelder Crêpe“. „Crefelder mit C geschrieben — das war uns wichtig“, sagt Feuring. Das Logo zeigt eine Silhouette des Hauptbahnhofs, der Burg Linn und der Dionysius-Kirche.

Für die einzelnen Crêpe-Variationen wählten die Ideengeber Stadtteilnamen. Den Hülser etwa gibt’s mit Zimt und Zucker, den Bockumer mit Nutella. Wer einen Fischelner Eierkuchen bestellt, findet in dessen Mitte einen Kinderriegel, der Uerdinger ist mit Amaretto gefüllt und der Verberger mit Konfitüre.

Dass sich über die Füllung der Stadtteil definieren lasse, weist Feuring allerdings weit von sich. Interpretationen, die Traarer seien so freundlich und süß, wie das mit Honig gefüllte Pendant, die Linner besonders feierfreudig und der Crêpe deshalb mit Eierlikör beträufelt, überlässt er seinen Gästen. „Wir haben die Füllung ganz zufällig gewählt. Einzige Ausnahme ist der Crefelder“, erklärt er. In dessen Mitte komme als Hommage an die ursprünglich in Krefeld produzierte Süßigkeit, ein Nappo. „Diese Füllung gibt es, soweit ich weiß, nirgendwo anders.“

Den Teig für den Stand lassen die Jungunternehmer jeden Tag frisch bei der Traditionsbäckerei Ullrich anrühren. „Uns war wichtig, dass das ein Bäcker übernimmt, der in Krefeld verwurzelt ist“, so Feuring.

Das Rezept für den Teig kommt von Gabi Rösel. Als die Jungunternehmer ihr erzählten, was sie vorhaben, war sie gleich Feuer und Flamme. „Ich habe lange in der Gastronomie gearbeitet und wollte mich beruflich verändern. Darum konnte ich mir gut vorstellen, den Stand zu betreuen“, sagt sie. Bevor es losgehen konnte, habe sie zahlreiche Probeessen für Freunde, Kollegen und Familienmitglieder ausgerichtet. „Ich habe mehrere Wochen lang bestimmt vier Mal die Woche jeweils bis zu 20 Crêpes gebacken, bis alles stimmte“, erzählt sie.

Selber habe sie ihre Backkünste selten gekostet. „Mir ging es um die Meinung der Probeesser.“ Das Schwierigste sei gewesen, einen Konsens bei der Füllung zu finden. „Da ist der Geschmack sehr unterschiedlich, die einen mögen’s mit viel Konfitüre, die anderen mit wenig“, sagt sie. Ihr persönlicher Favorit sei übrigens der herzhafte Cracauer, gefüllt mit Käse und Schinken. Und diese Wahl ist ganz objektiv — Rösel wohnt in Mitte.

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