Historie Reichsneubauten prägen noch heute das Krefelder Stadtbild

Stadtteile. · Vor 100 Jahren begann der Bau von mehr als 500 Wohnungen für die belgischen Besatzer in der Seidenstadt.

 Ein besonders anschauliches Beispiel sind die Häuser an der Westparkstraße 61-65.

Ein besonders anschauliches Beispiel sind die Häuser an der Westparkstraße 61-65.

Foto: Andreas Bischof

Als Folge der Besatzung Krefelds Ende 1918 durch belgische Truppen verstärkte sich auch in Krefeld eine große Wohnungsnot. Für die Besatzung mussten mehr als 500 neue Wohnungen gebaut werden. Besonders im Westen der Stadt, aber auch in Stadtmitte „Am Hohen Haus“, entstanden zur Behebung der Not sogenannte Reichsneubauten.

Die Kosten dafür übernahm das Deutsche Reich, das Reichsvermögensamt. Der auch in Krefeld bekannte Architekt Helmut Hentrich sprach in diesem Zusammenhang von „Rettung für die Krefelder Architekten“.

Noch heute prägen die vor 100 Jahren großzügig angelegten Bauten das Krefelder Stadtbild. Ab 1921 konnten belgische Offiziere ihre neuen Wohnhäuser „Am Hohen Haus“ beziehen und den Krefeldern die beschlagnahmten Wohnungen zurückgeben.

Die größte Ansiedlung aus dem Programm erfolgte jedoch von 1919 bis 1927 im Stadtwesten in einem Geviert zwischen Westpark-, Von-Steuben-, Tenderingstraße und Neuer Weg. Dort findet sich auf einer Länge von mehreren Kilometern eine nahezu geschlossene Straßenrandbebauung. Mehrgeschossige Zwei- bis Vierfamilienhäuser in ihrer neoklassizistischen Gestaltung bieten einen ganz besonderen Anblick.

Biebricher und Frank sind
in Mitte federführend

Maßgeblich beteiligt an dieser großen Baugruppe war der Krefelder Architekt Franz Lorscheidt, der bereits Häuser an der Hüttenallee baute. Hingegen waren bei den Wohnhäusern in Stadtmitte „Am Hohen Haus“ die Architekten August Biebricher und Peter Frank federführend.

Ein besonders anschauliches Beispiel an der Westparkstraße, die zur belgischen Zeit erst noch Bissing- und später Hindenburgstraße hieß, gibt es mit dem Ensemble „Westparkstraße 61-65“. Das großzügige, mehr als 50 Meter breite Gebäude wirkt wie ein Geschosswohnungsbau, dabei handelt es sich ursprünglich um drei große Einfamilienhäuser. Diese wurden hochwertig ausgestattet. Der Baukörper ist symmetrisch in Abschnitte unterteilt, bemerkenswert sind die Mansarden. Beim Endhaus, Nummer 65, springt die Fassade zurück, um die Einmündung zur Straße Neuer Weg zu betonen.

Die rückwärtigen Fassaden zum Garten sind ursprünglich vielgestaltig durch erdgeschossige Loggien. Es gibt Terrassen mit Treppen, die in die Gärten führen und den Aufenthalt der Bewohner im Freien ermöglichen.

Die Architekten und Bauleute empfinden noch heute die Bebauung in Krefelds Zwischenkriegszeit als wertvoll für die Entwicklung der städtischen Wohnarchitektur. „Die strenge Gliederung der Fassaden ist noch der alten Tradition verhaftet, die Bauteile sind jedoch bereits in ihrer Ausschmückung reduziert“, heißt es.

Eine weitere Hinterlassenschaft der Belgier war die Hindenburgsiedlung in der Nähe der Kasernen und des Eisstadions. Die Besatzer bauten an dieser Stelle Baracken, die als Einfachstwohnungen später von den Krefeldern übernommen wurden.

Im ehemaligen Pferdestall der Belgier gab es von 1927 bis 1965 eine kleine Notkirche, die dem Heiligen Petrus Canisius geweiht war. Als Ersatz entstand 1968 zusammen mit St. Bonifatius die neue Pfarrkirche St. Thomas Morus an der Kempener Allee. Die Siedlung wurde im vergangenen Jahrhundert aufgegeben.

Der stellvertretende Institutsleiter des Museums Burg Linn, Christoph Dautermann, hat in seinem 2014 erschienenen Buch „Krefelder Architektur der 1920er Jahre“ im Kapitel „Bauten für die belgische Besatzung“ zahlreiche im ganzen Stadtgebiet errichtete Bauten aufgelistet.

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