Gruselgeschichten im historischen Stadtkern von Linn

Nachtwächter Heinz-Peter Beurskens führt unterhaltsam durch die Dunkelheit.

Krefeld. Aufgeregte Kinderstimmen hallen durch die engen Gassen. „Wie war die Zahl noch mal?“, fragt ein Junge. „1784“, flüstert jemand aus der Dunkelheit. Schon am frühen Abend ist es kalt und düster. Der Wind weht durch die engen Gassen. Dennoch zieht eine große Gruppe Kinder aufgeregt und erwartungsfroh durch den historischen Stadtkern. Ein Gefühl von Wärme gibt nur das Licht der brennenden Kerzen. Das tragen sie zum Schutz vor der Dunkelheit in großen Handlaternen bei sich.

Zum Glück, werden sie denken, sind wir nicht alleine unterwegs. Sie haben einen erfahrenen Nachtwächter dabei, der sie durch den urigen Stadtkern führt. Doch was erzählt der für gruselige Geschichten? Von Schlangenköpfen, die vor Hochwasser schützen sollen und von einem an die Haustür genagelten Arm eines Diebes.

Der Nachtwächter ist Heinz-Peter Beurskens. Ein Mal im Jahr bietet er eine speziell für Kinder ausgelegte Führung durch den historischen Stadtteil an. „Weil auch gruselige Geschichten erzählt werden, sollten die Kinder schon etwas älter sein“, erklärt der ehrenamtlich tätige Stadtführer.

Mit großen Augen und weit geöffneten Lauschern folgen die Kinder seinen kurzen Geschichten. Der erste Halt des Rundgangs ist bei einem Gebäude mit Schlangenköpfen am Geländer. Nachtwächter Beurskens weist auf den erhöhten Treppenaufgang vor der Haustür hin. Genau wie die Schlangenköpfe sollte dieser früher vor Hochwasser schützen. 1784 half beides nicht vor den Wassermassen. „Bis hier stand das Hochwasser“, sagt Beurskens und zeigt auf den Türknauf der Haustür. Die Zahl 1784 sollen sich die Kinder gut merken. Sie ist das Passwort für den Zugang zur Burg. „Wer das nicht weiß, kommt nachher ins Verlies.“

Dann erklärt der Nachtwächter, dass Linn bis zur Eingliederung zu Krefeld keine Kanalisation hatte. „Passt auf, wo ihr lang geht“, warnt er die Kinder. Jederzeit könne ein Fenster geöffnet werden und die Fäkalien auf die Straße geschüttet werden. Die Kinder horchen gebannt und schmunzeln.

Zur Überraschung aller Beteiligten steht auf dem Andreasmarkt die Feuerwehr bereit und bittet zum „öffentlichen Exerzieren unter Rekrutierung der Bürger“. Die Teilnehmer des Rundgangs werden von den historisch gekleideten Feuerwehrleuten in mehrere Gruppen aufgeteilt. Es gilt seine Bürgerpflicht zu wahren und an einer öffentlichen Löschübung teilzunehmen. Dazu steht ein alter Löschwagen bereit.

Wie früher sollen die Teilnehmer die Pumpe per Hand betreiben. Auf jeder Seite des Wagens befindet sich ein Pumphebel. Diese müssen abwechselnd von jeweils drei Personen auf jeder Seite heruntergedrückt werden. „56-mal in der Minute“ soll auf diese Art Wasser gepumpt werden. Nach der kurzen Einweisung geht es los, und schon nach den ersten Pumpvorgängen spritzt das Wasser aus dem Schlauch. Nach der gelungenen Übung führt der Nachtwächter die Gruppe hinauf zur Linner Burg. Beim Gang über die Brücke fragen zwei Wachen nach dem Passwort. Alle Kinder kennen die Parole: „1784“. Danach dürfen sie passieren.

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