Der starke Mann und das schwere Eisen (mit Video)

Willi Neubauer ist zum vierten Mal Deutscher Meister im Bodybuilding der Senioren geworden.

Krefeld. Von technischem Schnickschnack hält Willi Neubauer nicht viel: „Ich brauch keine Kontergewichte, keinen Luftdruck und keine Elektronik — nur Eisen.“ Tatsächlich sind die Geräte in seinem privaten Fitnessstudio sehr puristisch: Gewichte, die mit Hebeln, Schlitten oder Seilzügen bewegt werden.

An einem dieser Geräte trainiert Neubauer gerade seinen Rücken; „Ziehen am Turm mit Engbacken“ nennt er die Übung. 65 Kilogramm hat er aufgelegt, vier Sätze à zehn Wiederholungen hat er angesetzt.

Sein Gesicht verzerrt sich zu einer Grimasse, während er die Gewichte nach oben zieht. Die Adern an seinen Unterarmen treten hervor. Aber sein Atmen bleibt ruhig und kontrolliert. Nachdem er den ersten Satz beendet hat, nimmt er sich rund 30 Sekunden Zeit, um Kraft für den zweiten Satz zu sammeln. Dabei geht er langsam zwischen den Geräten auf und ab.

Neubauer ist ein kleiner Mann, er ist nur 1,64 Meter groß. Er selbst betrachtet das als Vorteil: „Große Menschen brauchen mehr Nahrung, um die Muskeln zu erhalten. Gerade im Alter.“

Neubauer ist 67 Jahre alt. Anfang November ist der ehemalige Gärtner und jetzige Rentner zum vierten Mal Deutscher Meister im Senioren-Bodybuilding geworden. Die Spuren der Meisterschaft sind noch zu erkennen. Neubauer sieht etwas scheckig aus, blass-braune Flecken bedecken seinen muskulösen Oberkörper: „Das ist die Farbe, mit der wir vor dem Auftritt angestrichen wurden. Hinzu kam noch ein bisschen Öl für den Glanz. Das hält eine Woche oder so.“

Auch sein Idealgewicht von 70 Kilogramm konnte er bisher halten. Allerdings weiß er aufgrund seiner bald 50-jährigen Trainings- und Wettkampferfahrung, dass er in den nächsten Wochen und Monaten wieder drei oder vier Kilogramm zunehmen wird. Denn nur, wenn er sich auf einen Wettkampf vorbereitet, legt er sich selbst strenge Nahrungstabus auf: kein Fett, kein Zucker, kein Alkohol. Außerdem trainiert er dann zweimal am Tag. Zwischen neun und zwölf Wochen dauert eine solche Phase.

Steht kein Wettkampf an, isst er hingegen was er will: „Gerne auch Pizza oder Marzipan. Und Bier trinke ich auch.“ Außerdem trainiert er dann seltener, bleibt aber trotzdem diszipliniert: „Ausfallen lasse ich es eigentlich nur, wenn ich die Grippe habe oder einen Kater. Dann pack ich nix an.“

Meist jedoch trainiert er an vier Tagen in der Woche, jeweils eine Stunde lang. An jedem dieser Tage widmet er sich anderen Muskelgruppen: montags Brust und Bizeps, dienstags Beine, donnerstags Bauch und Waden und freitags Rücken und Trizeps.

Er trainiert entweder in dem Studio, dass er sich vor rund 30 Jahren in einem Anbau seines Hauses in Linn eingerichtet hat — drei Räumen mit etwa 20 Geräten. Oder er trainiert im Power Gym in Uerdingen, das einem Freund von ihm gehört. Gerade wenn ein Wettkampf ansteht, ist er häufig dort, vor allem um sich von den Trainern „Tipps und Tricks für die verschiedenen Posen zu holen“. Deren Qualität sei von Außenstehenden nämlich einfacher zu beurteilen, als von ihm selbst.

Die Posen, erklärt Neubauer, seien ein wichtiger Teil jedes Wettkampfs: Die Bodybuilder müssten der Jury zunächst als Pflichtprogramm in acht Grundposen sämtliche Muskelgruppen präsentieren. Anschließend könnten sie in der Kür, dem „freien Posen mit Musik“, ihre spezifischen Stärken herausstellen. Neubauer hält übrigens Brust und Taille für seine „Schokoladenseite“. Eine „Problemzone“ habe er hingegen nicht, behauptet er lachend: „Ich war schon immer sehr gleichmäßig.“

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