Firmengeschichte Die Verseidag hat in Krefeld vielfältige Spuren hinterlassen

Inrath/Bockum · Vor 100 Jahren sind die Vereinigten Seidenwebereien gegründet worden. In seiner Blüte beschäftigte das Unternehmen 6000 Mitarbeiter. Mit Spezialprodukten hat sich die Firma bis heute in einer Nische gehalten.

 Das neue Verwaltungsgebäude der Verseidag im Jahr 1956. Heute befindet sich darin das Stadthaus.

Das neue Verwaltungsgebäude der Verseidag im Jahr 1956. Heute befindet sich darin das Stadthaus.

Foto: © Presseamt Krefeld

Die Häuser Esters und Lange. Das Stadthaus am Konrad-Adenauer-Platz. Der heutige Mies-van-der-Rohe-Business-Park an der Girmesgath. Dies alles sind Zeugnisse der Geschichte eines Unternehmens, das einst zu den größten und bedeutendsten der Stadt Krefeld gehörte: Ende der 1930er Jahre hatten die Vereinigten Seidenwebereien mehr als 6000 Mitarbeiter. Die Weltfirma besaß Produktionsstandorte weit über Krefeld hinaus, Niederlassungen gab es unter anderem auch in London, Amsterdam, Wien und Oslo. Gegründet worden ist das Unternehmen vor 100 Jahren.

1920 zwang die wirtschaftliche Notlage nach dem Ersten Weltkrieg verschiedene Firmen der Samt- und Seidenstadt zu einer Fusion unter einem seidenen Rettungsschirm: es entstanden die „Vereinigten Seidenwebereien Krefeld AG“ (kurz: Verseidag) als Aktiengesellschaft. Ihre ersten Direktoren waren Hermann Lange und Josef Esters. Die Neugründung war ein großer Erfolg. Bis Mitte der 1920er Jahre hatte sich die neue Gesellschaft zum vielleicht größten Krawattenproduzenten der Welt entwickelt. In dieser Blütezeit entstanden auch viele der eingangs genannten Gebäude, so unter anderem das HE-Gebäude (HE steht für Herrenfutterstoffe) mit angeschlossener Färberei und die beiden von Ludwig Mies-van-der Rohe entworfenen Fabrikanten-Villen an der Wilhelmshofallee – bis heute Ikonen der Bauhaus-Architektur.

In den frühen 1950er Jahren entwarf der bekannte Architekt Egon Eiermann die neue Verseidag-Verwaltung, das heutige Stadthaus. Woran zu erkennen ist, dass sich das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt von den großen Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg schon längst wieder erholt hatte. Dabei war erst 1948 die Produktion wieder aufgenommen worden. In den 1960er Jahren hatte die Verseidag die Zahl ihrer Mitarbeiter wieder auf das Vorkriegs-Niveau gebracht – doch danach begann ein unaufhaltsamer Abstieg.

Dieser lässt sich wiederum an Architektur ablesen: 1977 musste die Verseidag wegen immer größer werdender wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihr stolzes Verwaltungsgebäude am Konrad-Adenauer-Park der Stadt überlassen. Vor allem die internationale Konkurrenz aus Billiglohn-Ländern machte der heimischen Textilindustrie immer mehr zu schaffen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Krefelder Unternehnemen nur noch etwa 3000 Mitarbeiter.

Rückzug vom Kerngeschäft
wurde 1980 notwendig

Harte Umstrukturierungsmaßnahmen und 1980 schließlich der vollständige Rückzug aus dem bisherigen Kerngeschäft, der Produktion für die Bekleidungsindustrie, wurden notwendig. Tatsächlich gelang es auf diesem Weg, die Verseidag zu erhalten. Die Krise setzte sich aber weiter fort. In den 1990er Jahren fand deshalb eine erneute Umstrukturierung statt. Der einstige Spezialist für feine Seidenstoffe entwickelte sich immer mehr zum Hersteller von Hightech-Produkten mit technischer Ausrichtung. Am 30. November 1998 schloss sich der mittlerweile den Namen Verseidag Technologies genannte Konzern mit der niederländischen Gamma Holding N.V./Helmhold zusammen. 2002 wurde die AG von der Börse genommen.

2009 verkauften die Holländer die verbliebenen Gesellschaften Verseidag-Indutex und Verseidag Ballistic Protection an die Krefelder Jagenberg AG, eine Firmenholding, die zur Kleinewefers-Gruppe gehört. Die Verseidag Ballistic Protection, ein Spezialanbieter für zivile und militärische Schutzsysteme, ging ein Jahr später an den Rüstungskonzern Rheinmetall (heute Rheinmetall Ballistic Protection).

Der traditionsreiche Name Verseidag lebt bis heute in der Verseidag Indutext weiter. Die GmbH ist auf hochwertige beschichtete Gewebe in den Bereichen Membrane/Großzelte, auf flexible Werbeträger (etwa Lkw-Planen) und industrielle PTFE-Anwendungen (beschichtete Gewebe) spezialisiert. Ihre Produkte werden weltweit unter anderem in der textilen Architektur verwendet. Auf Stadiondächern sind sie ebenso zu finden wie am berühmten Hotel Burj Al Arab in Dubai. Die Eigenwerbung auf der Homepage des Unternehmens, das seinen Sitz weiter im Bereich Industriestraße/Girmesgath hat, ist offenkundig nicht untertrieben: „Weltweit steht der Name Verseidag für innovative, qualitativ hochwertige, beschichtete Technische Textilien.“

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