Krefeld 1929 Fischeln – 1929 und heute

Fischeln ist nicht freiwillig Teil von Krefeld geworden. Heute pflegen die Bürger ein positives Selbstbewusstsein und wünschen sich, ein wenig mehr Gehöhr im Zentrum zu finden.

 Das Rathaus an der Kölner Straße.

Das Rathaus an der Kölner Straße.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Das Rathaus an der Kölner Straße ist ein schönes Symbol für Fischeln. Es hat eine bewegte Geschichte erlebt, steht stolz da mit seinem Turm und den zwei ganz unterschiedlich gestalteten Flügeln, es hat eine ebenso besondere wie leicht unterschätzte Architektur. Im Rathaus tagt unter anderem die Bezirksvertretung, in der die Fischelner ihre Themen angehen und ihre Forderungen an die Zentrale formulieren. Das Rathaus ist zudem Heimat der Feier am Karnevalsdienstag und steht daher auch für das starke Brauchtum im Stadtteil.

Wenn man um 1929 die Straße in Richtung Krefeld lief, dann lagen zwischen der Gemeinde und der Großstadt viel freies Feld und eine echte Grenze. Auf der einen Seite regierte der Oberbürgermeister von Krefeld, auf der anderen der Bürgermeister von Fischeln, der seinen Sitz seit 1910 in eben beschriebenem Rathaus hatte. Dass das heute nicht mehr so ist, hat im Wesentlichen zwei Ursachen: die Entwässerung und die preußische Landesregierung.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte Krefeld noch keinen Zugang zum Rhein. Den erlangte es erst in zwei Schritten: als Linn 1901 eingemeindet wurde und als Oppum, Bockum und Verberg 1907 folgten und damit für Krefeld ein Korridor vom Zentrum bis zum Rhein entstand. Für Fischeln ging dieser Korridor verloren, das bisherige Vorflutgelände gehörte nun Krefeld. In den Zeiten der fortgeschrittenen Industrialisierung und mit seinem Stahlwerk brauchte Fischeln aber eine Möglichkeit der Entwässerung und eine Kanalisation. Hätte die Gemeinde versucht, dies allein zu stemmen, hätte sie Millionen aufbringen müssen, die sie schlicht nicht hatte. Ab 1908 wurden Verhandlungen über die Kanalisation geführt, 1914 lag ein Vertrag vor, dessen Bedingungen als erträglich galten, dann aber kam der Erste Weltkrieg. Und so gab es Mitte der 20er immer noch Plumpsklos und Fäkaliengruben. Auf der Basis des einstigen Entwurfs wurde wieder verhandelt, nun ging es in den Gesprächen aber auch schon sehr konkret um die Eingemeindung.

1901 und 1907 blieb Fischeln selbstständig, aber die Idee zum Zusammenschluss stammt aus dieser Zeit. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es ein klar formuliertes Interesse des preußischen Innenministers Albert Grzesinski, auf kommunaler Ebene möglichst große Gebilde zu schaffen, weil er sie für leistungs- und überlebensfähiger hielt. Folglich war die Meinung von kleinen Gemeinden wie Fischeln nicht besonders gefragt. Sie wurden zwar gehört, maßgeblich war aber die Entscheidung des Preußischen Landtags. Und so hatte Fischeln in der Debatte um Entwässerung und Kanalanschluss doppelt schlechte Karten, so dass im Mai 1929 erst der Gemeinderat, dann die Stadtverordneten beschlossen, dass es zum Zusammenschluss kommt. Den dazugehörigen Vertrag unterzeichneten der Krefelder Oberbürgermeister Johannes Johansen und der Fischelner Bürgermeister Wilhelm Stefen.

Bei der „Umgemeindungsfeier“ durfte Stefen dann die Rede im Namen der Landgemeinden halten. Er nannte den 1. August 1929 gleichermaßen einen „Tag des Opfers und des Schmerzes“ und einen Tag der Hoffnung. Die Landgemeinden müssten einen großen Teil ihre Selbständigkeit aufgeben, „altgewohnte und gedeihliche Selbstarbeit, in welcher sie die Bürgerschaft interessierten und verbanden zu gemeinsamem Streben“. Deshalb hoffe man, dass der „Anschluss an die große und mächtige Stadt Krefeld“ auch den Interessen der Gemeinden diene. „Möge mit dem Umfang auch die innere Kraft und der Frieden wachsen und sich mehren und möge diese Großstadtgemeinde wachsen, blühen und gedeihen immerdar.“

Ludwig Blum hat die Ereignisse von damals anlässlich des 50. Jahrestages der „Eingemeindung“ zusammengefasst. Er schloss mit ähnlich kraftvollen Worten wie Bürgermeister Stefen im Jahr 1929: „Die Fischelner müssen selbst dafür sorgen, dass sie nicht ganz und gar von der Großstadt verschluckt werden. Fischeln soll und muss die Heimat aller Fischelner sein und bleiben. Fischeln darf nicht aufhören zu existieren.“

Seine Mitbürger haben ihn durchaus vernommen. Fischeln zeichnet sich heute durch ein im besten Sinne gesundes Selbstbewusstsein aus. Diejenigen, die schon lange im Stadtteil wohnen, sagen, dass sie ins Dorf gehen, wenn sie Fischeln meinen, und dass sie in die Stadt fahren, wenn sie ins Krefelder Zentrum wollen. Zugleich gibt es in den Neubaugebieten jede Menge Neu-Fischelner, die das nicht mehr kennen — und daraus ist eine gute Mischung entstanden.

Der Kalender mit Veranstaltungen und Aktivitäten ist gut gefüllt, die Vereine spielen im Stadtteil eine wichtige und starke Rolle. Die Karnevalisten und die Schützen pflegen das Brauchtum vor Ort. Es gibt Freunde und Förderer des Stadtparks Fischeln ebenso wie Freunde und Förderer für Heimatpflege und Schützenbrauchtum. Der Bürgerverein kümmert sich um Geschichte und Gegenwart, wenn er für neue Bänke sorgt, die Verkehrsprobleme diskutiert oder eine Umfrage zur Kirmes startet. Nicht immer finden Bezirksvertretung und Bürgerverein mit ihren Ideen und Beschlüssen das erhoffte Gehör. Jüngstes Sinnbild für das kompliziertere Verhältnis waren Tempo-30-Schilder, die an der falschen Stelle in Fischeln platziert wurden.

Fischeln ist nach 1929 übrigens noch einmal kurz und versehentlich „selbstständig“ gewesen. Ein amerikanischer Major ernannte Franz Heckmanns, letzter Beigeordneter der Gemeinde Fischeln, im März 1945 zum Bürgermeister.

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