Hier wird noch selbst gebacken: Holger Weißert - Ein Künstler in der Backstube

Als jüngerer Sohn hat sich Holger Weißert selbständig gemacht. Sein Bruder führt den Betrieb des Vaters weiter.

Krefeld. Holger Weißert ist der Bäckerberuf in die Wiege gelegt. 1953 haben seine Eltern einen Betrieb an der Lindenstraße gepachtet, 1960 dann an der Hückelsmaystraße gebaut. Doch die elterliche Bäckerei hat Holger Weißerts älterer Bruder Rudolf übernommen. „Mein Vater war damals sehr unglücklich darüber, dass ich auch Bäcker werden wollte, denn er hatte ja nur einen Betrieb abzugeben“, erzählt der jüngere der beiden Brüder. „Und den hat Rudolf bekommen, denn er ist älter.“

Gelernt hat Holger Weißert trotzdem im Familienbetrieb, hat dann bei verschiedenen Bäckern gearbeitet und sich 1988 im Alter von nur 24 Jahren selbständig gemacht. Seit fast 25 Jahren führt er an der Inrather Straße eine eigenständige Bäckerei. „Wir Brüder helfen uns natürlich, wenn dem einen mal das Mehl ausgeht oder wir liefern in der Urlaubszeit mal für den anderen aus, aber ansonsten sind wir unabhängig voneinander“, sagt der 49-Jährige. Bei ihm gebe es Familientradition in Form von alten Rezepten gepaart mit modernen Techniken und Ideen. „In meiner Lehrzeit in den 80er-Jahren gab es vier verschiedene Sorten Frühstücksgebäck, heute machen wir 22.“

Seinen Bäckereibetrieb führe er wie ein Sternerestaurant. „Nur so kann ein kleiner Laden überleben. Man muss in möglichst vielen Gebieten möglichst gut sein und immer höchste Qualität bieten“, betont er. „Bei uns hat die Ware einen Weg von nur acht Metern zwischen Backstube und Laden, sie wird noch heiß verkauft.“ Vor allem große Ketten würden ihre Produkte hunderte Kilometer entfernt produzieren, sie dann durch die Gegend fahren und vor Ort nur noch fertig backen. „Die stecken ihr Geld hauptsächlich in Energie zum Kühlen, ich dagegen in qualifiziertes Personal und Qualität“, betont der Bäcker, der gut 150 verschiedene Produkte anbietet.

Die Stärke seines Kleinbetriebs liege darin, dass er individueller auf Kundenwünsche eingehen könne als die großen Unternehmen, beispielsweise durch Hochzeitstorten oder Eigenkreationen wie Weißerts Radlerkrapfen. „Besonders ist auch unsere Rundumversorgung. Dazu gehört, dass das Brot umsonst geschnitten wird, dass wir unsere Ware auch ausliefern, die Tür aufhalten und jeden unserer 200 Kunden persönlich kennen“, erklärt er stolz.

Holger Weißert liebt seinen Beruf, auch wenn er mit knapp 50 merkt, dass das frühe Aufstehen und die Sieben-Tage-Woche „langsam auf die Knochen gehen“. Selbst an seinem freien Montag backt er für das Seniorenzentrum Wilmendyk. Die Arbeit macht ihm nach wie vor Spaß. Gern entwickelt er neue Produkte. „Ich fühle mich oft wie ein Künstler. Das Lob der Kunden ist für mich das höchste Gut.“

Reich werden könne man mit einem kleinen Bäckerladen nicht. Deshalb versteht der Vater von vier Kindern auch, wenn sich sein mittlerer Sohn (20) gegen den Bäckerberuf entscheiden sollte. „Er arbeitet gerade bei mir und hat die Möglichkeit, mein Wissen zu übernehmen, aber wenn er irgendwann nein sagt, bin ich ihm nicht böse“, betont Holger Weißert. „Schließlich weiß ich genau, was der Beruf mit sich bringt.“

Für ihn selbst laufe es wieder gut, seit die Kanalbauarbeiten auf der Inrather Straße beendet sind. Weißert betrachtet von der Küche aus seine „Hausbäckerei“: Vorne der Laden, hinten die Backstube, nebenan das Wohnzimmer. „Alles in einem Haus ist für mich perfekt“, sagt er. Für junge Bäckerpaare hat er aber einen anderen Rat: „Sich außerhalb des Geschäfts niederlassen, dann kann man Beruf und Privates besser trennen.“

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