Naturschutz: Erben dürfen nicht bauen

Die Stadt untersagt am Rohrammerdyk den Wiederaufbau eines alten Siedlungshauses.

Krefeld-Hüls. Wenn Ulrike und Wolfgang Günther aus ihren Wohnzimmerfenster blicken, sehen sie eine Bauruine. Auf einer alten Bodenplatte stehen neue Grundmauern, das Dach ist vor längerer Zeit eingestürzt.

Weiterbauen dürfen die Günthers nicht - die Stadt hat es im November 2001 untersagt. Begründung: Das Grundstück Rohrammerdyk 138 befinde sich im Landschaftsschutzgebiet Hülser Berg; es sei umgeben vom Naturschutzgebiet Hülser Bruch - hier könne kein Neubau zugelassen werden.

Maria Kruschinski, geborene Kästner, hat die Siedlungsstelle vor den Toren Hüls’ nach dem Zweiten Weltkrieg zugesprochen bekommen. Solche Häuser mit Ställen und Schuppen sollten den Menschen die Möglichkeit eröffnen, Hühner und Gänse, sowie Ziegen und Schweine zu halten, um sich ohne Hilfe des verarmten Staates über Wasser zu halten. Maria Kruschinski zog hier ihre Kinder groß, auch Tochter Ulrike, heute verheiratete Günther.

In den 50er und 60er Jahren wurde auf der Terrasse im Grünen oft gefeiert. Während ihre Tochter mit Familie 1989 nebenan einen genehmigten Bungalow bezog, blieb die Mutter in ihrem Haus.

Mit Bescheiden vom 7.Oktober und 7. Mai 2001 erteilte die Stadt der Familie mit landschaftsrechtlicher Befreiung die Baugenehmigungen zur Errichtung eines Satteldaches auf dem alten Flachbau und für den Anbau eines Heizungs- und Öltanks an die vorhandene Garage.

Mit dem Umbau kamen statische Probleme: Das Gebäude stürzte teilweise ein. Nur ein Neuaufbau war noch möglich. Im November 2001 wurde die Baustelle wegen fehlender Baugenehmigung stillgelegt, die landschaftsrechtliche Befreiung vom 9.Juli 1998 widerrufen. Maria Kruschinski zog vor das Verwaltungsgericht in Düsseldorf - und verlor.

Der Bonner Rechtsanwalt Joachim Heinle, der die Klägerin vertritt, mag den Argumenten von Stadt und Verwaltungsgericht (Verhandlungstermin 13. Juni 2008) nicht folgen, da "der Teileinsturz von den Klägern völlig unverschuldet" geschah.

Im Verfahren geht es um eine baujuristische Spitzfindigkeit, nämlich die Frage, was dem Bauvorhaben entgegensteht: nicht die Darstellungen, sondern die Festsetzungen im Landschaftsplan. Vorwurf der Klägerin: Das Gericht habe Landesrecht ausgelegt, ohne die "durch die Normenhierarchie gegebenen Vorgaben des Bundesrechts zu beachten." Nach dem Landschaftsplan, so Heinle, hätte das wegen seiner maroden Bausubstanz eingestürzte Haus weiter Bestandsschutz.

Maria Kruschinski ist inzwischen gestorben. Aber ihre Tochter und ihr Sohn führen das Verfahren als Erben weiter. Wann und wie aber das Oberverwaltungsgericht in Münster den baurechtlichen Grenzfall beurteilt, steht in den Sternen.

Ulrike und Wolfgang Günther möchten eine betagte Tante aus einem Hülser Altenheim holen. Sie könnte in dem wiederaufgebauten Haus gepflegt werden. "Und das Sozialamt könnte viel Geld für das Heim sparen."

In einer Stellungnahme an die WZ verweist Heino Thies, Leiter der Unteren Landschaftsbehörde beim Fachbereich Grünflächen auf den hohen Wert des Hülser Bruchs als Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten. "Die Einhaltung des Verbots für die Errichtung von baulichen Anlagen an dieser Stelle ist absolut notwendig."

Thies erinnert daran, dass auf einem Nachbargrundstück ein illegal gebautes Gebäude nachträglich abgerissen werden musste. Wolfgang Günther freilich spricht von einem entgegengesetzten Fall: "Am nördlichen Rohrammerdyk ist ein Schwarzbau geduldet worden". Ein Nachbarhaus sei, so Günther, an der Stelle entstanden, wo nach dem Krieg ein ausrangierter Eisenbahnwaggon hingestellt worden war - als Spielplatz für die Kinder.

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