Konventkirche: Rätsel der Grabplatte entschlüsselt

Paul Koenen und Hans-Dieter Klose haben die Inschrift enträtselt. Das Ergebnis überrascht.

Krefeld. Mit den Fingern fährt Hans-Dieter Klose die Buchstaben entlang, geduldig erklärt er die Bedeutung, die sich hinter der lateinischen Inschrift verbirgt. Dabei sind auf der Grabplatte in der Hülser Konventkirche längst nicht mehr alle Buchstaben erkennbar, ein zusammenhängender Text ist auf den ersten Blick nicht lesbar.

Doch Hans-Dieter Klose und Paul Koenen haben genauer hingesehen. „Wir haben Papier draufgelegt und die Inschrift dann mit einem Bleistift abgepaust“, erzählt Hans-Dieter Klose.

Die Idee, den Text genauer zu untersuchen, kam von Paul Koenen. „Gerade haben wir die Platte wegen der Renovierungsarbeiten in der Kirche komplett freiliegen. Darum haben wir uns vorgenommen, uns da dranzusetzen“, berichtet Koenen, ehemaliger Kirchenvorstand von St. Cyriakus, der mit Klose im Kirchenchor singt.

In Hans-Dieter Klose hat Paul Koenen den richtigen Experten gefunden. Als pensionierter Lehrer, der von 1969 bis 2001 Latein, Griechisch und Archäologie am Arndt-Gymnasium unterrichtete, war es keine große Herausforderung, die Inschrift zu übersetzen.

Dabei war Hans-Dieter Klose nicht der erste, der sich an den Text setzte. Eine Übersetzung hatte der Hülser Pfarrer Edmund Göhn bereits 1953 in seinem Buch „Der niederrheinische Flecken Hüls von der Urzeit bis zur Französischen Revolution“ veröffentlicht.

Warum also noch einmal die Mühe? „Man tut im Leben vieles, was nicht gleich sinnvoll erscheint“, meint Paul Koenen lachend. „Ich wollte einfach noch einmal sehen, was das zu bedeuten hat.“

Das Ergebnis ist erstaunlich, denn es ergeben sich einige Unterschiede zur Übersetzung von 1953.

Ungewöhnlich angeordnet ist die römische Zahl XX, 20, auf der Grabplatte, denn sie steht oberhalb der ersten Zeile der Inschrift, direkt über der Jahreszahl MDCLVIII, also 1658. Pfarrer Göhn ignorierte diese Zahl, Hans-Dieter Klose bezieht sie dagegen in seine Interpretation mit ein.

Darum kommen sie zu unterschiedlichen Todesdaten des Präfekten Conradi. Klose zählt die 20 Jahre dazu und gibt das Jahr 1678 an, Göhn nennt das Jahr 1668. Er schreibt in seinem Buch, dass der 1618 geborene Conradi als 50-jähriger Beichtvater und Rektor des dritten Ordens gestorben sei. Klose kommt in seiner Übersetzung zu dem Ergebnis, dass Conradi als 50-Jähriger Beichtvater geworden und zehn Jahre später gestorben ist — also 1678. Das deckt sich mit Recherchen von Paul Koenen.

Verwundert hat die beiden Hobbyforscher auch die arabische Ziffer 3 zwischen den römischen Buchstaben. „Die ist da so reingefriemelt“, meint Klose. Sie steht hinter der Jahreszahl und vor IXBRIS. Liest man die ersten beiden Buchstaben als Zahl IX, Neun, lateinisch Novem, ergibt sich daraus Novembris. Klose schließt daraus, dass Conradi am 3. November gestorben ist.

Klose und Koenen sind sich sicher, dass die XX und die 3 nachträglich eingemeißelt wurden — demzufolge hätte sich der Steinmetz zuvor im Todesdatum geirrt. „Wahrscheinlich wurde es eingemeißelt, als sich schon niemand mehr an das genaue Datum erinnern konnte“, vermutet Klose.

Besonders akkurat hat der Steinmetz ohnehin nicht gearbeitet — Wörter hat er am Ende einer Zeile nicht mehr beendet, Buchstaben aneinander geschrieben und Begriffe abgekürzt. „Vielleicht war es ein Azubi“, meint Paul Koenen scherzhaft.

Da hat der allererste Steinmetz bessere Arbeit geleistet — über der Inschrift befindet sich ein Kreisbogen mit gotischen Buchstaben, der an den Konventspräfekt Godehard then Büschen erinnert. Der starb schon 1545 — zumindest da sind sich alle einig.

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