Niederrhein-Roman „Die Welt will getäuscht werden“

Krefeld · Interview Mit „Achterbahn“ ist der zweite Roman von Wilhelm Rennebaum erschienen. Es geht um Lügen und Heuchelei, erzählt der Autor im Gespräch.

Der Krefelder Autor Wilhelm Rennebaum mit seinem neuen Roman „Achterbahn“. Foto:

Der Krefelder Autor Wilhelm Rennebaum mit seinem neuen Roman „Achterbahn“. Foto:

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Eigentlich hat alles seinen Anfang mit der Familienchronik genommen. Das war vor zwölf Jahren. Weil es Wilhelm Rennebaum so viel Spaß gemacht hat, Mosaiksteine zusammenzusetzen, schrieb er weiter – erst Sachbücher, dann Romane. Das neueste Werk des Bockumers heißt „Achterbahn“ und erzählt die Geschichte eines notorischen Lügners, der keinen Funken Moral in sich hat.

Am Donnerstag, 20. September, stellt der Autor seinen Roman bei einer Lesung in der Bockumer Buchhandlung vor. Im Vorfeld erzählt Rennebaum, wie die Idee zu diesem Buch entstand.

Herr Rennebaum, „Achterbahn“ ist Ihr zweiter Roman nach „Zeitwende“. Was ist das zentrale Motiv des Buchs?

Wilhelm Rennebaum: Lügen, Doppelmoral, Heuchelei. Das sind nur drei Motive, die sich wie ein roter Faden durch das Buch ziehen. Ich hatte mir vorgenommen, über den Verfall von Werten zu schreiben, da ich etwas gegen diese egoistische Ellbogen-Mentalität habe. Bestimmte Werte laufen einfach Gefahr unterdrückt zu werden. Sich einen skrupellosen Protagonisten wie Tobias auszudenken, der all diese schlechten Eigenschaften in sich vereint, hat mir unglaublich viel Spaß bereitet. Vor allem, weil ich durch ihn so auf das Problem aufmerksam machen kann.

Tobias hört sich nach einem ziemlichen Unsympathen an.

Rennebaum: Das ist er. Sein ganzes Leben ist auf Lügen aufgebaut. Sie fallen ihm leicht, und er schreckt nicht zurück, sie für seinen persönlichen Vorteil zu nutzen. Er sagt relativ am Anfang des Buchs, dass die Welt getäuscht werden möchte. Er sieht sie als Spielfläche für sich und tobt sich über viele Jahre hinweg mit seinen Lügengespinsten aus. Es ist wie eine Achterbahnfahrt. Mal geht es rauf, mal geht es runter. Im Fall von Tobias geht es irgendwann steil runter.

Gab es denn für ihn eine Vorlage aus dem wirklichen Leben?

Rennebaum: Nein. Aber ich bin in meinem Leben einigen Menschen begegnet, die ihm ähneln. Gerade in der Branche, in der ich beruflich tätig war. Er gibt vor, Investment Consultant zu sein. Ich war jahrelang im Finanzbereich tätig und kann deshalb über meine Erfahrungen berichten. Natürlich gibt es Parallelen zu meinem Leben. Mein Großvater war ein talentierter Geschichtenerzähler, so wie Tobias’ Stiefvater. Oder die Messdiener-Szene: Ich war selbst einer und habe das mit einfließen lassen.

Wie lange haben Sie an dem Buch gearbeitet?

Rennebaum: Eineinhalb Jahre. Die Leute denken immer, dass ein Roman schnell geschrieben ist. Ich nehme mir dafür aber viel Zeit und schreibe maximal nur eine Seite pro Tag. Denn aus einer abstrakten Idee muss eine runde Geschichte werden – mit einem roten Faden, verschiedenen Charakteren und Orten, die jeder wiedererkennen kann. Authentizität ist mir sehr wichtig, weshalb ich auch immer wieder das überarbeite, was ich geschrieben habe. Schließlich ist auch sorgfältiges Recherchieren zeitaufwendig.

Aber das Heimatdorf des Protagonisten ist fiktiv.

Rennebaum: Das stimmt. Jedoch sind die anderen Orte, wie Krefeld, Düsseldorf oder Amsterdam, real. Ich kenne sie, weil ich zum Beispiel 13 Jahre lang in Amsterdam gelebt habe.

Warum haben Sie sich überhaupt diese Kleinstadt ausgedacht?

Rennebaum: Die Entstehung eines fiktiven Ortes mit seinen fiktiven Bürgern gibt mir mehr Freiheiten für Kreativität. Hier kann ich Figuren und Handlungsstränge konstruieren, ohne mir Gedanken machen zu müssen, dass jemand sich wiedererkennt. Leursheim ist bieder und konservativ. So, wie es viele kleinere Orte am Niederrhein in den 50er-Jahren gewesen und teilweise auch heute immer noch sind. Weil ich vom Niederrhein bin, war mir der Bezug zum Lokalen wichtig. Nur wenn man die Orte kennt und weiß, worüber man schreibt, wirkt die Geschichte echt. So war es auch in „Zeitwende“ – auch wenn Daelhuysen ebenfalls erfunden war.

Haben Sie eine Lieblingsszene?

Rennebaum: Definitiv. Als kleiner Junge hatte ich immer Angst vor dem Nikolaus. Er war so einschüchternd mit seinem langen Bart und seiner tiefen Stimme. Wenn er sein Goldenes Buch aufschlug und ausführlich von meinen kindlichen Schandtaten berichtete, wäre ich am liebsten im Erdboden versunken. Um mein Kindheitstrauma ein bisschen zu verarbeiten, lasse ich Tobias ein Gedicht aufsagen. Komplett in Latein, so dass der Nikolaus ganz perplex ist und Reißaus nimmt. Endlich, nach all den Jahren, habe ich es dem alten Mann gezeigt. (lacht)

Was steht als Nächstes auf Ihrem Plan?

Rennebaum: Am 20. September veranstaltet die Bockumer Buchhandlung im Pfarrzentrum bei St. Gertrudis eine Lesung. Dort stelle ich Passagen aus „Achterbahn“ vor. Danach gönne ich mir erst einmal eine Pause. Allerdings habe ich schon eine Idee, was ich als Nächstes machen möchte: Kurzgeschichten. Natürlich wieder mit Niederrhein-Bezug.

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