Stadtteil-Check Oppum: Ein Stadtteil der Gegensätze

Hier grasende Pferde, dort donnernder Schwerlastverkehr. Auf einer Straßenseite alte Höfe, auf der anderen feuchtes Land. Das ist Oppum.

Krefeld. Oppum ist ein Stadtteil der Gegensätze: Grasen an einem Teil der Hauptstraße Pferde friedlich auf der Weide; donnert nicht weit davon entfernt der Schwerlastverkehr über ein anderes Stück des gleichen Fahrwegs. Neben alten Siedlungen entstehen moderne. Anderswo wiederum halten gewachsene Nachbarschaften aus Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg auch heute noch zusammen. Und während der Autoverkehr auf der Gath und die Güterstrecke auf der Schiene den Stadtteil in zweifacher Hinsicht brutal durchschneiden, können die Bürger sich davon im Busch an der Altstromrinne, im Botanischen Garten und im Schönwasserpark erholen und ländliche Umgebung genießen.

Willi Hanenberg ist 75 Jahre alt, gebürtiger Oppumer und wohnt seit 72 Jahren an der Hauptstraße 396. Gegenüber stehen die Pferde des benachbarten Reitstalls auf der saftigen Wiese. "Ich wohne auf der Seite, ,wo die Kuchen gebacken werden’", sagt er schmunzelnd - eine nicht unübliche Ortsangabe. Gemeint ist die Ostseite, an der das alte Dorf Oppum auf höher gelegenem, trockenem Land aus einer langen Reihe von Bauernhäusern entstanden ist. "Auf der Westseite, bis direkt an die frühere Dorfstraße heran, lag einst ein Rheinarm", sagt Hanenberg. "Wer es weiß, kann die Uferböschung noch erkennen." Dorthin, ins feuchte Land der Rheinniederung, hat damals keiner seinen Hof gebaut, dort gab es keinen Backofen.

Hinter den Höfen schließt sich das Lohbruch an, das ins Latumer Bruch übergeht, in einen Lebensraum für Rehe, Kaninchen und Hasen. Hanenberg: "Der Bereich liegt tief. Von dort aus ist von Oppum nur die Turmspitze der über einhundert Jahre alten ,Kirche zu den Heiligen Schutzengeln’ zu sehen. Vis à vis der vor Kurzem sanierten Geismühle lag der höhere Teil, die Kornkammer der Römer. Vielleicht wurde deshalb aus dem ehemaligen Wachturm der Burg Linn später die Kornmühle namens Geismühle."

Gleich neben den alten Höfen steht an der Ecke Hauptstraße/Böttershof noch das Forsthaus. Von der "Alten Schule" von 1836 ist nichts mehr zu sehen. An der Ecke Haupt-/Heinrich-Klausmann-Straße beginnt eine neue Siedlung. "Ein Wohngebiet für junge Familien wuchs aus dem ehemaligen Ackerland, in dem fränkische Bausubstanz verborgen liegt. Hier hat Museumschef Christoph Reichmann gegraben."

Soweit der Osten. In westlicher Richtung geht es in die Botanik. "Hier im Bauernhof an der Kurve der Straße ,Am Dorfgraben’, dem Eingang zum Busch, habe ich als Kind noch Kappes mit den bloßen Füßen gestampft", erinnert sich der 75-Jährige und lächelt.

Nachbarschaften haben in Oppum noch Bestand

Der Weg nebenan führt, wie beschrieben, in den Busch, wie die Oppumer sagen. Zu den nachhaltig wirkenden Projekten der Euroga 2002 plus gehört die Herstellung eines Biotopverbunds, der auch an der Oppumer Altstromrinne verläuft. Dort erhält das Gelände seinen ehemaligen Charakter mit Wiesen, Ufer- und Feldgehölzen.

Zurück ins Dorf: Ein besonderes Highlight bautechnischer Art gibt es an der alten Donksiedlung zu sehen. Auf dem ehemaligen Sportplatz der Geschwister-Scholl-Schule entstand 2004 im Rahmen des Landesprogramms "50 Solarsiedlungen in Nordrhein-Westfalen" die "Solarsiedlung Fungendonk". Es wurden dort futuristisch anmutende Doppel- und Reihenhäuser als Passivsolarhäuser gebaut. Sie bilden einen auffälligen Kontrast zur alten Bebauung.

Die so genannte Donksiedlung ist ebenfalls eine Besonderheit und gilt als größte geschlossene Siedlung in NRW. Sie entstand zwischen 1932 und 1938 und umfasste über 500 Siedlerstellen. Trotz ziemlicher Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg ist sie lebendig wie eh’ und je. "Die Bewohner pflegen ein gutes Zusammenleben", weiß Hanenberg. "Ähnlich ist es in den vielen Nachbarschaften, die in Oppum Bestand haben." Mit gut einem Dutzend solcher intakten Gemeinschaften liegt der Stadtteil einsam an der Spitze.

"Die Nachbarschaften entstanden in den Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg. Die Menschen halfen sich gegenseitig und wollten dieses Zusammengehörigkeitsgefühl auch später nicht missen." Neben den althergebrachten wie Sandberg, Oberend oder Crön haben sich auch neue gegründet. So die Nachbarschaft Schreinerstraße, die in 2003 ihr 25-jähriges Bestehen feierte, oder die Solarsiedlung, die in diesem Mai einen "Tag der Sonne" veranstaltete. Das jährlich stattfindende Matjesessen der Nachbarschaft Sandberg ist übrigens nahezu legendär. Diese Gemeinschaften sind über ganz Oppum, sogar über die trennende Untergath hinweg, verstreut.

Hanenberg: "Ein besonders schönes Fleckchen Oppums liegt an der Johansenaue, die als alte Birkenallee schon selbst sehenswert ist. Sie hat ihren Namen Bürgermeister Johann Johansen zu verdanken, der während seiner Amtszeit zwischen 1911 und 1930 die Bildung eines Grüngürtels vorantrieb." An der Johansenaue liegt der Schönwasserpark, eine innerhalb der Euroga 2002 plus sanierte historische Parkanlage. Sie wurde in ihre ursprüngliche Form zurückversetzt. Der Schönwasserpark zieht sich fast bis zur Burg Linn hin. Er ist ein Paradies für Spaziergänger und Jogger. In kalten Wintern tummeln sich die Schlittschuhläufer auf dem Teich, und im Frühjahr staunen die Besucher über die Farbspiele der vielen Rhododendron-Büsche.

Haus Schönwasser, von dem der Park seinen Namen hat, ist ein im klassizistischen Baustil errichtetes ehemaliges Herrenhaus. An seiner Stelle stand zu Anfang des 18. Jahrhunderts ein alter Bauernhof namens Schoenwater, altdeutsch für Schönwasser. Heute ist dort ein Lehrerseminar untergebracht.


Gleich nebenan liegt der Botanische Garten, der sich um 1928 aus einem kleinen Schulgarten entwickelte.

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