Stadthaus: Die Fenster fallen auseinander

Die Grünen erkunden das marode Stadthaus – und entdecken Ärgernisse und Anekdoten.

Krefeld. Im Stadthaus haben Handwerker jetzt in mehreren Räumen die Fenstergriffe abgeschraubt. "Aus Sicherheitsgründen", lautet die Begründung. Die Fenster sind so marode, dass sie beim Öffnen auseinanderfallen könnten.

Rund 30 Prozent der Fenster in dem zwischen 1951 und 1956 vom bekannten Architekten Egon Eiermann errichteten früheren Verwaltungs- und Lagerhaus der Vereinigten Seidenwebereien (Verseidag) sind "abgängig". Dies erfuhren die Besucher beim Spaziergang auf Einladung der Grünen durch das denkmalgeschützte Haus. Die anderen 70 Prozent der Stahl- und Holzfenster sind sanierungsfähig.

Damit könnte fast die Hälfte der über 250 000 Euro Energiekosten für den seit 1981 von der Stadtverwaltung genutzten Komplex eingespart werden. Darauf wollte Grünen-Ratsfrau Heidi Matthias hinaus, die es für erwiesen hält, dass "wir hier mit Steuergeldern die Umgebung heizen und ein schlechtes Beispiel geben".

Kosten für eine Sanierung sind nach Angaben von Denkmalschützer Volker Berroth bisher noch nicht errechnet. Für eine Nutzung durch die Verwaltung sei der Bau "ideal geeignet", da er im Hochhaus über viele Lager- und Archivflächen verfüge.

Der Denkmalpfleger bezeichnet den Stadthaus-Komplex als bedeutendes Denkmal der Neuzeit, schwärmt von der filigranen Struktur mit größtmöglichen Fensterflächen und nur 20 Zentimeter schmalen Pfeilern, der Deckenstrahl- und Fußleistenheizung, der flächigen Fassade, den Holz- und Stahlverbundfenstern, dem Terrazzo-Bodenbelag. "Das ist der Bau eines Perfektionisten, der noch heute in die Zeit passt".

Die "Notoperation", herabfallende Fassadenfliesen durch Bleche zu ersetzen, sei verständlich, meinte Berroth. Völlig unverständlich findet er, dass in vielen Etagen Teppichboden auf Parkett geklebt worden sei. Das werde in Kürze wieder repariert.

Berroth erzählt auch die Geschichte, wie es zur Fenstersimshöhe von 1,42 Meter für alle späteren Eiermann-Bauten gekommen ist: Der 1,92 Meter große Verseidag-Chef Hermann Lange wollte, dass auch seine kleinste Mitarbeiterin aus dem Fenster über die Stadt blicken konnte.

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