Sprengmeister: Am schiefen Turm biss er sich die Zähne aus

Der Mann, der heute das frühere Schwesternwohnheim am Klinikum in die Luft jagt, erlebte vor 29 Jahren in Königshof einen der schwärzesten Tage seines Berufslebens.

Krefeld. Seit 40 Jahren sprengt der Mann Häuser, Schornsteine und Türme in die Luft. Da muss doch irgendwann mal was schiefgegangen sein - oder?

Helmut Roller lehnt sich in seinen Stuhl zurück und überlegt. Gerade noch hat er von der bevorstehenden Sprengung des früheren Schwesternwohnheims erzählt, das am Samstag um 10 Uhr auf dem Gelände des Helios-Klinikums fallen soll.

Jetzt erinnert er sich an den wohl schwärzesten Tag in seinem Sprengmeister-Leben. Und das war ebenfalls in Krefeld, vor 29 Jahren, als das 25 Meter hohe Malz-Silo an der Kölner Straße einfach nicht umstürzen wollte.

Nicht bei der ersten Sprengung, und auch noch nicht bei der fünften. Erst nach 17 Tagen konnte das Königshofer Wahrzeichen im sechsten Anlauf und mit 65 Kilo Sprengstoff dem Erdboden gleichgemacht werden.

Im Gegensatz zu damals kann Roller heute darüber lächeln, wenn er von dem standhaften Riesen der einstigen Krefelder Malzfabrik erzählt. Dass es ein Silo war, das sich seinerzeit so widerspenstig gab, daran kann er sich zwar nicht mehr erinnen.

Aber noch genau an die Resonanz in der Bevölkerung: "Ich war damit gleich zweimal Thema im Krefelder Rosenmontagszug", sagt der Mann mit den freundlich blitzenden Augen, der schon 1974 den Wasserturm - Wahrzeichen an der Gladbacher Straße - sprengte. Damals blieb aber lediglich eine einzelne Wand stehen, die nachträglich gesprengt werden musste.

"Der schiefe Turm von Königshof", wie ihn die Krefelder schnell nannten, war am 11. Oktober 1980 und in den 16 darauffolgenden Tagen in der Tat Gesprächsthema Nummer eins in der Stadt. Massenhaft pilgerten die Menschen zu dem Areal zwischen Vulkan- und Kölner Straße, und sie konnten erleben, wie Roller und sein Team verzweifelt versuchten, das Gebäude aus dem Jahr 1857 zu sprengen. Immer und immer wieder.

Schon damals wollte Roller einen Keil in das Haus sprengen, damit es in eine Richtung stürzt - in etwa so, als ob man eine Kerbe in den Stamm eines Baumes schlägt, der gefällt werden soll. Doch das Silo sackte drei Meter tiefer und neigte sich nur leicht. So stand es seinerzeit nach Ansicht einiger Experten beinahe noch fester als vorher.

Am Samstag wird Helmut Roller wieder einen Keil sprengen. Dafür hat er am Freitag 400 Bohrlöcher mit insgesamt zehn Kilogramm Ammoniumsalpeter gefüllt. Ob da was schiefgehen könnte? "Das ist sehr theoretisch", sagt Roller und lächelt wieder.

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