Zuflucht in Deutschland So kann Krefeld jungen Flüchtlingen helfen

Krefeld · Sozialvereine, Jugendhilfe und Jobcenter haben für derzeit 173 unbegleitete Minderjährige ein umfassendes Betreuungsangebot aufgebaut.

 Der 28-jährige Samson Misghina aus Eritrea macht im Bildungszentrum für Metall & Elektro am Niederrhein (MEK) zur Zeit eine Ausbildung.

Der 28-jährige Samson Misghina aus Eritrea macht im Bildungszentrum für Metall & Elektro am Niederrhein (MEK) zur Zeit eine Ausbildung.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

In NRW haben sich bisher 29 Kommunen zu sicheren Häfen erklärt, Krefeld ist eine davon. Sie wollen unbegleitete minderjährige Geflüchtete aufnehmen, die unter katastrophalen hygienischen Bedingungen und bei dieser Kälte schon über Monate in überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln leben. Zehn Jungen und Mädchen könnte Krefeld laut Beigeordnetem Markus Schön sofort aufnehmen. Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert, der die Initiative koordiniert, sieht derzeit für 200 bis 250 Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, in teilnehmenden deutschen Städten unterzukommen. SKM-Geschäftsführerin Caroline Frank-Djabbarpour vom SKM begrüßt dieses Hilfsangebot: „Das kann Krefeld stemmen.“

Für 130 unbegleitete minderjährige Ausländer (kurz UMAS abgekürzt) hatte der Katholische Verein für soziale Dienste ab November 2015 mithilfe von Ehrenamtlichen, weiteren sozialen Trägern, der Jugendhilfe, dem Jobcenter und Bildungsträgern für Sprachangebote eine umfassende Betreuung und Begleitung aufgebaut . Der SKM selbst hat Vormundschaften übernommen. Aktuell sind es noch 55.

173 unbegleitete minderjährige Ausländer werden derzeit betreut

Seit dem 1. November 2015 ist die örtliche Jugendhilfe für die Betreuung von jugendlichen Geflüchteten gesetzlich zuständig. Insgesamt werden in Krefeld 173 UMAS in Zuständigkeit des städtischen Fachbereichs betreut. Unterschieden werden muss dabei bei den minderjährigen Geflüchteten, die unter anderem aus sogenannten sicheren Herkunftsländern wie zum Beispiel Albanien, den nordafrikanischen Staaten aber auch aus Afghanistan kommen, zwischen zwei Gruppen. Die eine stellt nach ihrer Einreise einen Asylantrag. Hier entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über den Antrag. Wird er positiv beschieden, erhalten die Personen einen Aufenthaltstitel, bei negativem Ausgang folgt eine Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung unter Fristsetzung.

Der anderen Gruppe zugeordnet werden unbegleitete minderjährige Ausländer, die keinen Asylantrag stellen und damit unmittelbar unter das Aufenthaltsgesetz fallen. „Hier besteht unter anderem eine sofort nachvollziehbare Ausreisepflicht und eine Mitwirkungspflicht der Betroffenen zur Identitätsklärung und Passbeschaffung“, erklärt die Verwaltung. Die Krefelder Ausländerbehörde hat zusammen mit der Deutschen Botschaft im Herkunftsland dafür zu sorgen, dass der abzuschiebende Heranwachsende bei der Rückkehr seiner Familie oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird. „Nur bei Wegfall von Abschiebungshindernissen kann eine befristete Duldung erteilt werden“, so die Verwaltung.

„Erfreulich in Krefeld ist, dass es nicht erneut zu beabsichtigten Abschiebungen von Minderjährigen gekommen ist“, sagt Caroline Frank-Djabbarpour. In Krefeld sind seit 2016 bislang zwei Abschiebungen aus diesem Personenkreis eingeleitet worden. Bei verschiedenen Fällen, in denen bislang kein Asylantrag gestellt wurde, vermisse die Stadtverwaltung jedoch eine ausreichende Mitwirkungspflicht. Zum Beispiel die Angabe zum eigenen Alter.

Als extrem schwierig und aufwändig bezeichnet die SKM-Geschäftsführerin in diesem Zusammenhang die geforderte Beschaffung von Ausweis-Papieren. „In einigen Ländern muss ein Vertrauensanwalt beauftragt werden, das kann schon mal 1000 Euro kosten, dafür gibt es aber in Deutschland keine Finanzierungsgrundlage.“ Die Beschaffung eines eigenen Passes gehöre hier zu Lande zum normalen Lebensunterhalt, nicht aber bei so außergewöhnlichen Situationen. In den Fällen könne derjenige dann nicht -– wie gefordert – mitwirken.

Positiv hingegen sei, dass berufsbegleitende Maßnahmen vom Jobcenter finanziert werden. „In der Regel sind die unbegleiteten minderjährigen Ausländer sehr lernwillig; sie freuen sich, wenn sie einen Schulplatz haben“, sagt Caroline Frank-Djabbarpour. Sie wissen, ob sie in Deutschland eine Ausbildungsmöglichkeit oder sogar Arbeit finden, hängt maßgeblich ab von ihren Deutschkenntnissen. „Die meisten Jugendlichen, die wir in vier Jahren betreut haben, verfügen inzwischen über einen Hauptschulabschluss der neunten oder zehnten Klasse, teilweise besuchen sie auch die Oberstufe.“ Auch haben laut ihren Worten viele von ihnen einen Ausbildungsplatz gefunden, vorwiegend in den Bereichen Bäcker, Gastronomie und Handwerk. „Dabei erleben wir die Bereitschaft der Lehrbetriebe, junge Geflüchtete aufzunehmen, als sehr positiv“, so Caroline Frank-Djabbarpour.

„Beschäftigung und Arbeit sind von zentraler Bedeutung für gute Teilhabe und Chancen in unserer Gesellschaft. Sie geben auch Flüchtlingen eine neue Hoffnung und eine Perspektive“, erklärt Gisela Klaer, sozialpolitische Sprecherin der SPD und Bürgermeisterin. Im jüngsten Sozialausschuss stellte sie Fragen nach den Strukturen, die seit der Flüchtlingswelle von 2015 in Krefeld aufgebaut und genutzt werden.

Eine ausführliche Antwort gab im Ausschuss Tavin Lara Turanli, Geschäftsführerin des Jobcenters Krefeld. Laut ihren Worten werden aktuell 2202 erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Kontext Fluchtmigration vom Jobcenter betreut. Darunter 64 Prozent aus Syrien, der Rest unter anderem aus Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan und Somalia. Von den 2202 Personen sind knapp 40 Prozent Frauen. Knapp 67 Prozent aller Leistungsberechtigten sind im Alter zwischen 25 und 55 Jahre und mehr als die Hälfte hat Familie.

„Deren Sprachbedarf haben wir weitgehend decken können“, betont Tavin Lara Turanli, zunächst bei den Männern, inzwischen auch bei den Frauen. Dazu hätten sie Integrations-, Sprach- und Orientierungskurse absolviert. Nun gehe es darum, geeignete Berufsangebote zu finden. Diese Gruppe könne laut Gisela Klaer für Unternehmen und Arbeitgeber in Zeiten demographischen Wandels, alternder Belegschaften und fehlender Auszubildender eine echte Chance sein.

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