Kirche Gottesdienste – wortreich, aber still

Krefeld · Grund zum Feiern: Seit 111 Jahren gibt es die evangelische Gehörlosengemeinde in Krefeld.

Pfarrerin Monika Greier, assistiert von Diakon Josef Rothkopf, in der Christuskirche in Bockum.   Foto: ekk

Pfarrerin Monika Greier, assistiert von Diakon Josef Rothkopf, in der Christuskirche in Bockum. Foto: ekk

Foto: Bettina Furchheim Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Referentin

In der Christuskirche in Bockum beginnt der Gottesdienst. Es ist ruhig, nur ein wenig Husten oder Räuspern ist zu hören. Keiner redet. Nein, das ist falsch. Keiner redet mit Stimme. Aber die gut 40 Gottesdienstbesucher reden sehr wohl, unterhalten sich höchst angeregt, aber mit den Händen, viel Mimik und Köperhaltung. Eben in Gebärdensprache.

Es ist in ganz besonderer Tag für die Evangelische Gehörlosengemeinde Krefeld. Sie feiert ihr 111-jähriges Bestehen.

Das Fest beginnt mit einem ökumenischen Gottesdienst, in dem Pfarrerin Monika Greier an die lange Tradition erinnert: „Über 1200 Gottesdienste gab es in diesen 111 Jahren für Gehörlose in Krefeld.“ In einem Bericht von 1922 schrieb ein Gehörlosenpfarrer: „Bei einem Gottesdienst sind immer ungefähr 26 Gehörlose da. Danach bleibt Zeit für Gespräche und Seelsorge. Manchmal auch bei Kaffee und Kuchen.“ Das sei bis heute gleich geblieben, sagte Pfarrerin Greier, die seit elf Jahren als Gehörlosenseelsorgerin für den evangelischen Kirchenkreis Krefeld-Viersen arbeitet und für Moers und Kleve zuständig ist.

Sie gestaltete auch den Jubiläums-Gottesdienst zum Thema „Sinn-voll leben“ gemeinsam mit ihrem katholischen Kollegen, Diakon Josef Rothkopf vom Bistum Aachen. Greier hatte ihren Part verschriftlicht. Die Gebärden des Kollegen übersetzte sie in Sprache. Normalerweise wird nicht gesprochen in einem Gehörlosengottesdienst – warum auch. „Sind Hörende mit im Gottesdienst, dann erkläre ich am Anfang ,Heute mit Stimme!’“, erläuterte Greier. Dann nutzt sie die lautsprachbegleitende Gebärdensprache – sie spricht ganz normal und gebärdet simultan.

Alle müssen sich ganz und
gar aufeinander konzentrieren

Die Gehörlosen verstehen auch diese Gebärden. Doch ansonsten nutzen sie die Deutsche Gebärdensprache, kurz DGS, seit 2002 in Deutschland als vollwertige Sprache anerkannt. Diese hat eine eigenständige Grammatik, die sich grundlegend von der deutschen Laut- und Schriftsprache unterscheidet.

Beim Miteinander reden müssen sich alle ganz und gar aufeinander konzentrieren. Auch im Gottesdienst. Wenn einer wegschaut, kann er dem Geschehen nicht mehr folgen, hat den Faden verloren. Deshalb dauern die Gottesdienste maximal eine halbe Stunde. Sonst fällt es schwer, weiter zuzusehen. „Ich baue jedes Mal weitere Elemente mit ein“, sagte Monika Greier. „Bilder und Filme, meist ohne Worte oder in Gebärdensprache.“ Am Samstag zeigte sie ihren Film „Alt und wertvoll“ – passend zu einem Bestehen von mehr als 100 Jahren. Außerdem ging es um die fünf Sinne und ein Gebärdenlied „Gebärden ist toll“. Die Beschreibung der fünf Sinne gebärdeten die beiden Seelsorger so eindrucksvoll, dass auch in Gebärdensprache Unkundige vieles verstehen konnten. „Ich glaube, Christen und Christinnen haben noch einen weiteren Sinn“, fügte Greier hinzu. „Einen besonderen Spür-Sinn. Wir spüren, Gott ist nah.“ Lieder nicht zu hören, sondern ausschließlich zu sehen, sei auch noch einmal ein ganz besonderes Erlebnis. Sie wurden so ausdrucksstark dargestellt, dass jeder die Intention und den Inhalt erfassen konnte.

Als Herzenssprache empfindet die Gehörlosenseelsorgerin Greier die Gebärdensprache. Sie mag die Ausdrucksmöglichkeiten, die sie zusätzlich durch die Mimik hat: „Damit kann man biblische Themen nochmal ganz neu verdeutlichen.“ Red

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