Krefeld Schullandheim Herongen: Kontroverse um Krefelds Kindheit

WZ-Recherche zum Schullandheim Herongen schlägt hohe Wogen. Politik wiegelt ab, Bevölkerung bedauert Verkaufsplan. Und Sie?

Krefeld: Schullandheim Herongen: Kontroverse um Krefelds Kindheit
Foto: Stadt Krefeld

Krefeld. Das Schullandheim Dr. Isidor Hirschfelder hat seit bereits zwei Jahren kein Krefelder Grundschüler mehr von Innen gesehen, zuletzt wurde es als Unterkunft für jugendliche unbegleitete Asylsuchende, so genannte Umas, vom Deutsche Rote Kreuz betrieben. Jetzt ist das DRK handelseinig mit der Krefelder Stadtverwaltung, der Kaufpreis ist fixiert. Nur die Politik spielt noch nicht mit. Die einen, weil die Informationen um fünf vor 12 auf dem Tisch lagen. Der Finanzausschuss sah sich am Dienstag nicht in der Lage, einen Beschluss zu fassen. Die anderen, weil sie den Verkauf für falsch halten. Zum Beispiel die UWG. Deren Vorsitzender Andreas Drabben sagt: „Wir wollen auch unseren Kindern die Möglichkeit geben, die wir damals hatten.“ Und spricht dem Krefelder Volke aus der Seele.

Kaum war die Meldung am Dienstagabend auf WZ.de in der Welt, reagierten unzählige Krefelder auf die Nachricht. Mit großem Bedauern, mit Geschichten von früher, mit einer Hommage an dieses gute Stück Krefelder Kindheit. Streiche, Lagerfeuer, der erste Kuss. „Bitte lasst die Tradition nicht sterben!“, schreibt etwa Sabine Oellers auf der WZ-Facebookseite. Sie selbst sei mit der Schule in Herongen gewesen, später ihre Kinder. Und Britta Sensis sagt: „Ich wäre auch für eine Sanierung, damit unsere Kinder und Enkelkinder auch künftig ihre Schulausflüge dorthin machen können! Eine Rutschparty in den Amandus gehört einfach dazu!“ Diese Kommentare gibt es zu Dutzenden, dazu jede Menge Geschichten.

Für Drabben und die UWG Grund genug, sich gegen einen Verkauf zu positionieren. Zur Erinnerung: 627 064 Euro ist das Objekt wert, 627 100 soll das DRK zahlen, macht einen Gewinn für die Stadt von 36 Euro. Aber: Auch der Sanierungsstau von 2,2 Millionen Euro geht an das Rote Kreuz über, das Herongen weiter als Unterkunft für Umas betreiben möchte und Krefeld im Bedarfsfalle bis zu 25 Unterbringungsplätze garantieren soll.

Drabben meint: „Fast jeder Krefelder war während seiner Grundschulzeit in Herongen und hat diese Zeit und das Heim in bester Erinnerung. Dieses wollen wir auch der nächsten Generation ermöglichen, auch hinsichtlich des geschichtlichen Hintergrundes des Schullandheimes. Man darf nicht alles verkaufen, um den Haushalt einer Stadt besser aussehen zu lassen.“ Und bekommt Rückendeckung von den Linken. Stephan Hagemes erzählt: „Wir waren schon vor zwei Jahren für den Erhalt. Ich war früher selbst als Grundschüler dort.“

Die Stadtverwaltung hält dem entgegen: „In den vergangenen Nutzungsjahren ist der jährliche Zuschussbedarf seitens der Stadt Krefeld für das Schullandheim Herongen auf einen höheren sechsstelligen Betrag angestiegen. Gleichzeitig nutzen immer weniger Krefelder Schulen das Schullandheim für Klassenfahrten. Die Belegungsquote ging kontinuierlich zurück. Eine Steigerung der Attraktivität der Einrichtung im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten konnte, bedingt durch die Konkurrenz mit überwiegend preisgünstigeren Jugendherbergen und ein verändertes Anspruchsdenken der Nutzergruppen, nicht erreicht werden. Zudem besteht ein hoher Sanierungsbedarf der Gebäude.“

Dieser Einschätzung folgen die meisten anderen Ratsfraktionen — nicht ohne Bedauern. Für die FDP sagt Joachim C. Heitmann knapp: „Grundsätzlich können wir einem Verkauf zustimmen.“ Heidi Mathias von den Grünen erklärt „schweren Herzens“: „Wir sehen angesichts unseres Haushaltssicherungskonzepts keine Möglichkeit, das Haus mit seinem immensen Sanierungsbedarf zu halten.“ Die CDU hat zum Thema noch nicht beraten, lässt aber wissen, dass man aus vorgenannten wirtschaftlichen Gründen dem Verkaufsplan der Verwaltung folgen kann. Einzig die SPD möchte sich noch nicht festlegen und erst am Montag in der Fraktionssitzung beraten.

Doch was sagen eigentlich die direkt betroffenen, die Krefelder Schulen? „Ich finde das so schade“, sagt zum Beispiel Barbara Peters, Schulleiterin der Schönwasserschule. Sie selbst ist schon 1982 zum ersten Mal mit Schülern nach Herongen gefahren. „Das Schullandheim war ein Refugium für die Kinder“, sagt sie. Es sei nicht zu weit und nicht zu nah an Krefeld gewesen, durch die Lage mitten im Wald hätten sich die Kinder — mit gewissen Regeln natürlich — auch auf eigene Faust bewegen können. „Diese Chance, die Kinder zu sich selbst zu führen, bieten normale Jugendherbergen nicht“, sagt Peters.

Auch Katja Vennemann, stellvertretende Schulleiterin der Grotenburgschule ist traurig über das anstehende Aus des Schullandheims. „Diese persönliche Atmosphäre — alle Schüler zusammen und doch ganz für sich, das war schon toll“, sagt sie. Auch die Absprachen mit dem Heimleiter hätten immer super geklappt — man habe sich eben schon lange gekannt. Nun müsse man sich wahrscheinlich nach einer Alternative umsehen.

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