Menschen Diagnose Hirntumor: Tagebuch einer Kämpferin

Sandra Rosenberg hat ein Buch über den Verlauf ihrer schweren Erkrankung geschrieben. Vom Erlös will sie dem Kinderhospiz einen Therapiehund kaufen.

 Sandra Rosenberg aus Tönisvorst hat ein Buch geschrieben über ihren Hirntumor. Es wurde veröffentlicht. Die Einnahmen spendet sie an zwei Kinderhospize, unter anderem das Stups in Krefeld.

Sandra Rosenberg aus Tönisvorst hat ein Buch geschrieben über ihren Hirntumor. Es wurde veröffentlicht. Die Einnahmen spendet sie an zwei Kinderhospize, unter anderem das Stups in Krefeld.

Foto: Dirk Jochmann

Sandra Rosenberg ist wohl das beste Beispiel für einen Menschen, der einer wirklich schlimmen Situation etwas Gutes abgewinnen kann. Zumindest im Nachhinein. „Ich habe jetzt so viel zu geben,“ sagt sie. Ein Buch hat sie geschrieben über das, was sie in den vergangenen eineinhalb Jahren erlebt hat. Erschienen ist es unter ihrem Mädchennamen Sandra Vogel. „Und wenn es gut läuft, kann ich mit den Einnahmen anderen helfen.“ Doch von Anfang an.

Am 9. Mai 2018 bekam die Tönisvorsterin den Befund Gehirntumor. Wegen Ohrenschmerzen und Schwindel hatte eine Neurologin sie zum MRT geschickt. Mit einer solchen Hiobsbotschaft hatte die Mutter von zwei Teenager-Töchtern aber nicht gerechnet.

Neun Tage später ging es bereits ins Krankenhaus. Auf den Nachttisch am Bett stellte die damals 47-Jährige ein Bild ihres Mannes und eines mit den beiden Töchtern, das extra vor der OP noch beim Fotografen angefertigt worden war. Und eine Karte, die sie erst kurz zuvor zum Muttertag bekommen hatte. „Ich wollte danach alle direkt sehen“, sagt Rosenberg.

Sie hatte schreckliche Angst, sich nach dem Eingriff nicht mehr an ihre Lieben erinnern zu können. Aufgrund der Lage des Tumors im Gehirn, hätten Beschädigungen am Gehirn wesensverändernd sein können, oder vielleicht ihre Erinnerungen betroffen. Aber: „Ich habe keine gravierenden Folgeschäden“, sagt Rosenberg erleichtert.

Einfach war es danach dennoch nicht. Eine Thrombose im Kopf führte zu Komplikationen. Außerdem vertrug sie das Kortison nicht, das sie gegen eine Hirnschwellung bekam. Als sie nach zwei Tagen auf der Intensivstation zu sich kam, hörte sie von einem Massaker an einer Schule in Texas, bei dem zehn Menschen ums Lebens kamen. „Ich konnte nicht verstehen, warum ich überlebt hatte, während andere, junge Menschen keine Chance hatten“, erinnert sich Rosenberg.

Der Tumor stellte sich als gutartig heraus, er war auch keine Metastase einer Brustkrebserkrankung, wie die Ärzte befürchtet hatten. Als Sandra Rosenberg zum ersten Mal nach draußen in den Park der Helios­klinik gehen dürfte, umarmte sie einen Baum. „Ich habe mich so kraftvoll gefühlt,“ sagt sie.

Nach Kortisonbehandlung acht Tage und Nächte wach

Und sie war rastlos. Das Kortison raubte ihr den Schlaf. „Ich war acht Tage und Nächte wach, bin nachts herumgewandert und habe die Leute genervt.“ Dabei traf sie eines nachts einen jungen Vater, dessen kleine Tochter direkt nach der Geburt notoperiert werden musste.

Es stellte sich heraus, dass das Mädchen in der selben Minute geboren worden war, in der die Ärzte an Sandra Rosenbergs Kopf zu schneiden begonnen hatten. Der Vater nahm die Fremde mit an das Bettchen seiner Tochter. „Ich habe mich wie ihr Schutzengel gefühlt, total überdreht und doch glasklar stand ich da. Es war, als hätten sich unsere Seelen berührt, so verrückt das auch klingt,“ sagt Rosenberg.

Heute ist sie Patentante. Und sie hat dem Kind auch ihr Buch gewidmet. 649 Seiten lang ist es geworden. Ein Tagebuch einer Kämpferin, die viel erlebt hat und den Mut dabei nie verlor. Am sechsten Tag nach der Operation begann sie mit dem Schreiben.

Sie machte Tonaufnahmen und schrieb Whatsapp an Freunde. Die Gesprächsverläufe findet man auch im Buch. Und viele Fotos. „Bis letzten September hatte ich 450 Seiten zusammen“, sagt Rosenberg. Der erste Verlag reagiert auch gleich positiv. „Für langes Suchen hätte ich auch keine Energie gehabt.“

Im Dezember arbeitete die Sozialpädagogin bereits wieder Vollzeit, als sie die Ereignisse noch einmal einholten. Eine posttraumatische Belastungsstörung überrollte sie mit Angstzuständen und Flashbacks. Erst seit diesem Sommer findet sie wieder halbtags in den Beruf zurück. Geholfen hat ihr dabei auch Hund Picasso, den sie und ihr Mann sich am Tiefpunkt anschafften.

Was das Tier ihr in der schweren Zeit gegeben hat, möchte Sandra Rosenberg am liebsten auch anderen ermöglichen. Die Tantiemen für ihr Buch, welches zunächst in einer Auflage von 2500 Exemplaren erschienen ist, möchte sie spenden an das Stups Kinderzentrum in Krefeld und ein Kinderhospiz in Engelskirchen. „Am liebsten möchte ich dem Stups einen Therapiehund schenken“, sagt Rosenberg. Derzeit besuche ein Hund dort nur stundenweise die Kinder. „Aber ich habe gesehen, wie gut es ihnen tut.“ Ob das Geld dafür reicht, erfährt sie im Frühjahr.

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