Talkrunde Rückblick auf 60 Jahre Krefelder Musikszene

Bei „Krefeld rockt!“ wurde in alten Zeiten geschwelgt und über aktuelle Musiker und Bands aus Krefeld geredet.

 Auf der Bühne des Rittersaals der Burg Linn sprachen Hans Rommerskirchen, Waldo Karpenkiel, Philip Lethen und Wolfgang Hellfeier (v.l.) über die Krefelder Musikszene der 1960er bis in die Gegenwart.

Auf der Bühne des Rittersaals der Burg Linn sprachen Hans Rommerskirchen, Waldo Karpenkiel, Philip Lethen und Wolfgang Hellfeier (v.l.) über die Krefelder Musikszene der 1960er bis in die Gegenwart.

Foto: Andreas Bischof

Es ist die Zeit, als die Bands noch Kapellen hießen, die Deutschen mit dem VW-Käfer nach Italien in den Urlaub fuhren und die Szenelokale, in denen Live-Musik gespielt wurde, zwischen Bahnhof und St. Anton-Straße wie Pilze aus dem Boden schossen. Waldo Karpenkiel, selbst ernannter „Burgältester der Musikerzunft“, Wolfgang Hellfeier, Hans Rommerskirchen und Philip Lethen plaudern auf dem Podium im oberen Rittersaal der Burg Linn aus dem musikalischen Nähkästchen unter dem Titel: „Krefeld rockt!“

Aus der ursprünglich geplanten gemütlich-kleinen Runde am Kaminfeuer der Burgküche wird nichts. Weit über 100 Musikfans strömen geradezu zu den Zeitzeugen der Szene hoch ins alte Gemäuer, um Anekdoten und Einspieler aus den Jahrzenten ab 1960 zu hören und live vorgetragenen Gitarrenklängen von Bastian Vogel zu lauschen. Teilweise tragen sie eigene Erlebnisse bei, treten mit den Musikern in den Dialog. Es ist ein erlebnisreicher Streifzug durch die Musikgeschichte, der zeigt, wie bedeutend Krefeld in musikalischer Hinsicht war und heute noch ist.

Eine kleine Discokugel und farbige Strahler an der kleinen Bühne sollen wohl den Geist der Zeit heraufbeschwören. Das schaffen die Protagonisten jedoch mit links. Alleine Schlagzeuger und Percussionist Karpenkiel „spielt“ alleine mit seinen Händen die Musik-Begleitung. Er berichtet aus den 60er-Jahren, von Haus Niederrhein, dem Silbersee oder der Bosi-Bar im Keller, die als bombensicher galt. Daher der Name. „Die britische Band The Governors, The Kelty Brothers aus Hüls, stark beeinflusst von Indorock oder The Who, eine der bedeutendsten Rock-Bands der Zeit, waren in der Stadt. Letztere allerdings nur, um chinesisch zu essen. Sie kosteten 7,50 Mark Eintritt. Zu teuer.“

Die Beatles schafften es gar nicht nach Krefeld. „Von 1959 bis 1966 führte Peter Düster die Tanzbar ,Am Wasserturm`. Er hat nicht nur eine der wenigen Frauen Beat-Bands in Liverpool – The Liverbirds – engagiert, sondern viele andere mehr“, erzählt Karpenkiel. „15 000 Mark Gage sollten damals die Beatles, bereits mit Ringo Starr am Schlagzeug, kosten. 4000 Mark zu viel für Düster. Später ärgerte er sich nicht zu knapp über seine Absage.“

Die Zeit, als „Musik noch mit
der Hand gemacht wurde“

Es folgt ein Einspieler von „Die Fremden“, Rock ’n’ Roll und Oldies vom Feinsten aus Krefeld, Musik zum Hören, für Kopf und Bauch und die Füße wippen. „Es war die Zeit, als Musik noch mit der Hand gemacht wurde.“ Niederrhein- und Rheinlandhalle waren Schauplätze spektakulärer Pop- und Rockfestivals und wurden beispielsweise 1973 als Mini-Woodstock getitelt.

Klaus Doldinger trat mit seiner Band Motherhood und mit Musikern, darunter einem gewissen Udo Lindenberg, in der Maria-Sibylla-Merian-Schule auf, die damals noch an der Westparkstraße lag. Lindenberg kam auch mit Joseph Beuys auf den Sprödentalplatz, zum „Krefelder Appell“, dem Aufruf der westdeutschen Friedensbewegung an die damalige Bundesregierung, die Zustimmung zur Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Europa zurückzuziehen und innerhalb der Nato auf eine Beendigung des atomaren Wettrüstens zu drängen.

Heute macht sich Philip Lethen stark für die junge Szene, zu der knapp 100 Musiker gehören. Beim Pressen eines Krefeld-Samplers in Berlin hörte er: „Was macht ihr in Krefeld für eine tolle Musik“. Zu den berühmtesten und bekanntesten Metal-Bands aus deutschen Landen, sprich: Krefeld und Meerbusch, zählen heute mit Sicherheit die Blind Guardians. Nicht zuletzt stammt Leadsänger Hansi Kürsch aus Linn.

Jennifer Morscheiser, die Leiterin der Museen Burg Linn, hat es mit einer großen Portion Hartnäckigkeit geschafft, die Blind Guardians ins alte Gemäuer zu locken. „Wir wollen die Burg rocken“, erklärt sie an Oberbürgermeister Frank Meyer gerichtet. Er ist selbst ein Musikfan und verspricht, den vielen Bands in Krefeld zu preisgünstigem Probenraum zu verhelfen.

Bastian Vogel, selbst Krefelder Bandmusiker, untermalt die Veranstaltung mit seiner Gitarre. Er ist ganz in Schwarz gekleidet und beginnt – seinem Namen und Outfit getreu – mit „Blackbird“ von den Beatles. Seine Version von Stings „I`ll Be Watching You“ erhält besonders viel Applaus.

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